(24.06.2022, 10:07)Wolkenmann schrieb: [ -> ]Börse ist nichts für Weicheier. Wer jammert, wenn es mal runtergeht, der hat in diesem Geschäft nichts zu suchen. Gerade als Investor muss man doch eine hohe Schmerztoleranz aufbauen. Ist halt kein Daytrading. Wer Kontrolle sucht bei überschaubarem Risiko muss halt in den kurzfristigen Timeframe wechseln. Ist zwar mit Arbeit verbunden, aber wesentlich stressfreier als große Buchverluste aussitzen zu müssen. Erkenne Dich selbst. BaLü du bist kein Investor!, das sieht ein Blinder mit dem Krückstock, mMn bist du im kurzfristigen Handel besser aufgehoben. Bin selbst ein Kontrollfreak und hasse große Verluste, ergo bin ich Scalper geworden und habe eine (fast) perfekte Strategie entwickelt. Man muss halt "outside the box" denken und nicht den ganzen Mainstream-Mist kopieren. Das bringt nichts!!
Sorry aber das ist fast komplett Quatsch mit Soße. Das einzige wo ich zustimmen würde ist das man beim kurzfristigen
Handel (Daytrading, Scalping) eigene Wege suchen und finden muss. Daytrading an sich ist aber in vielerlei Hinsicht
anspruchsvoller. Könnte jetzt dazu einiges ausführen, aber das würde den Rahmen sprengen. Mental, psychisch ist
das auf jeden Fall nochmal eine sehr viel anstrengendere Hausnummer. Es geht nicht darum eine Phase zu haben in
der es mal gut läuft. Es geht darum sich immer wieder neu auf den Markt einzustellen. Unterschiedliche Phasen zu
erkennen. "Laufzonen" und "Kampfzonen" unterscheiden zu können. Die entsprechenden Werkzeuge und Setups
zu finden, zu entwickeln, weiterzuentwickeln. Ziel ist es das es einfacher wird, das ganze so weit zu entwickeln das die
Psyche keine oder nur noch eine extrem geringe Rolle spielt. Das ist ein Prozess der Jahre und Jahrzehnte dauert.
BaLü ist Ende 2019 ins Börsengeschäft eingestiegen. In der Phase in der der Markt über 10 Jahre nach oben gelaufen ist.
Getrieben von niedrigen Zinsen und der Geldflut der Notenbanken nach der Lehman-Finanzkrise. Mit Corona wurde
diesbezüglich dann nochmal einer draufgesetzt. Das das nicht ewig so weiter laufen kann war klar. Wann und wie es
anders läuft war Ende 2019 nicht abzusehen. Wäre er 2009 oder 2010 eingestiegen hätte die Sache anders ausgesehen,
was zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht absehbar war. Hätte er diese Phase mitgemacht wäre er heute mit den richtigen
Werten, einem gut diversifizierten Depot immer noch dick im Plus - wäre er dann ein Top-Investor? Das hat dann doch
auch viel mit Glück, Zufall, Pech zu tun wenn man es vom Zeitpunkt des Einstiegs aus betrachtet.
Würde da Parallelen zu meinem eigenen Einstieg sehen. Bin 1998 mit einem 6stelligen Betrag und dem "Langfrist-Gedanken"
eingestiegen. War beruflich sehr eingespannt und hab nur alle paar Monate ins Depot reingeschaut. War zwischendurch
auch mal etwas erschrocken weil dieses mal 4-5 % im Minus war. Hab mich aber nicht weiter damit beschäftigt und es laufen
lassen. Dann kam der Internet-Hype und mein Depot ist nach oben explodiert. Bin dann Herbst 1999 mit nochmal
einem 6stelligen Betrag den ich bis dahin angspart hatte rein. Hatte Tage in denen mein Depot über 20K nach oben
lief. März 2000 hatte ich das Gefühl aussteigen zu müssen. Hab mein komplettes Depot an einem Mittag liquidiert.
Das war kein Wissen, Können sondern einfach nur Glück. Ein paar Werte waren dabei die ich nicht zum Höchstkurs
verkauft habe. Innerhalb der nächsten Wochen ging es nochmal rauf und ich hätte teurer verkaufen können.
Danach ging es dann permanent abwärts. Ich hatte keinen Plan. Charttechnik war für mich Kaffeesatzleserei. Bin dann
in den fallenden Markt immer wieder rein - wieder mit dem "Langfrist-Gedanken" und hab mir eine blutige Nase nach
der anderen geholt. Ging ja dann bis 2003 runter.
Wäre ich weg von IT & Co (womit ich in diesen 2 1/2 Jahren ein Schweinegeld gewonnen habe) und zu Pharma- und
Biotech wie der Rest der Welt gewechselt - hätte ich wieder richtig Kohle gemacht, weil der Hype nach dem
Platzen der Internetblase zu diesem Zeitpunkt dort abging.
Nachdem ich im Abwärtsmarkt viel Geld kaputt gemacht habe bin ich auf die Swing- und Daytraderschiene gewechselt.
Das war anfangs alles andere als ein ein Zuckerschlecken.
Hätte ich mein Depot nicht liquidiert wäre es sicher unter mein Einstandskapital gelaufen (hab ich im nachhinein nicht
mehr verfolgt) - obwohl ich weit vor dem Hype eingestiegen bin. Einfach weil einige Werte implodiert sind - entweder
waren die Weg vom Fenster oder die sind bodenlos nach unten gegangen. Klar hatte ich auch Amazon, Microsoft, Apple,
Intel, Cisco und einige mehr. Einige sind bis heute nicht mehr bis zum Höchstkurs zurückgelaufen (Cisco, Intel).
Andere haben sich verzigfacht (Amazon, Microsoft, Apple), haben aber viele Jahre gebraucht um die Internet-Hype-
Kurse wieder zu erreichen. Mein Depot wäre dementsprechend einige Jahre tief im Minus gewesen und dann - aber
erst in den letzten Jahren - durch Amazon, Microsoft, Apple richtig fett im Plus gewesen.
Ich hatte Glück beim Einstieg und Ausstieg. Wäre ich erst Anfang 2000 rein und nicht ausgestiegen wäre mein Depot
sicher über 80% im Minus gelandet. Wäre es mir dann schlecht gegangen? Mit Sicherheit. Wäre ich ein guter Investor
gewesen wenn ich durchgehalten hätte und über ein Jahrzehnt gewartet hätte bis das Depot mein Ursprungskapital
erreicht hätte? Nur weil ich zufällig ein paar der langfristigen absoluten Highflyer im Depot gehabt hätte? Andere Werte
waren Rohrkrepierer (Intershop, Yahoo, Jafco) die nie wieder meinen Einstandskurs erreicht haben oder Totalverluste
(Commerce One) waren. Es waren insgesamt um die 40 Aktien und Fonds. Heute kann ich nicht mal mehr alle aufzählen.
Unterm Strich - eine Strategie kann aufgehen oder nicht. In meinem Fall - hätte ich es über 20 Jahre laufen lassen,
wäre es das, weil ich zufällig auch ein paar wenige der richtigen Aktien hatte. Ansonten hätte ich Pech gehabt.
Aus heutiger Sicht hatte ich damals keinen Plan, keine Ahnung, kein Wissen, kein Können. Es war alles nur Glück und
Zufall. Und im nachhinein betrachtet keine wirkliche Strategie.
Würde ich heute ein langfristiges Depot aufbauen würde ich zuerst mal warten bis der Sturm sicher vorbei ist -
das kann noch Monate, vielleicht noch Jahre gehen. Ich würde in Tranchen einsteigen. Ich würde mir Value-Werte,
Dividenden-Aristokraten aussuchen. Diversifiziert über mehrere Branchen. Und dann vielleicht noch max. 15-20 Prozent
des Depots Werte mit Hype-Potenzial. Zahlenmässig mehr aber jeweils nur mit kleinen Beträgen. Da wären dann
sicher auch wieder Rohrkrepierer, Totalverluste dabei, aber vielleicht auch 2-3 Highflyer die für das Depot einen
Turbomodus bedeuten können.
Auch das würde viel Zeit für Recherche beanspruchen. Welche Branchen, welche Werte, welche Gewichtungen
insgesamt, welche Gewichtung/Grösse bei den Teileinstiegen, Einstieg abhängig von der aktuellen Marktsituation,
mit oder ohne Stopp-Kurse, usw. usf.
Das wäre eine Fleißarbeit die zumindest am Anfang viel Zeit in Anspruch nimmt und dann "nur noch" laufend
überprüft werden muss. Gegebenenfalls umschichten, Werte die zu groß geworden sind abbauen. Werte die von
der Zeit überholt werden aussortieren. Neue Werte ins Depot holen. Bekomme es nur am Rande mit weil mich Aktien
einfach nicht mehr interessieren - aber ich habe das Gefühl das @cubanpete da eine ganz gute Strategie fährt,
was die Depotpflege angeht.
Unterm Strich denke ich das sowas eher machbar ist als sich aufs Daytrading zu stürzen und davon auszugehen
das das leichter ist. Ist es nicht. Für die überwiegende Mehrheit wird das nicht funktionieren, was @Lancelot ja
auch immer wieder treffend ausführt.
Am Ende ist neben der Auswahl der Werte der Zeitpunkt des Einstiegs - wenn es um langfristige Strategien geht -
schon entscheidend ob es gemütlich oder stressig läuft. Wer 2009 eingestiegen ist, sein Depot gut gepflegt hat,
seine Strategie laufend optimiert, angepast hat, dürfte heute ein genügend grosses Polster haben um weniger
gestresst zu sein. Wer in Hoch-Zeiten einsteigt wird ein größeres Stress-Level aushalten müssen und ggfs. eine
mehr oder weniger lange Negativ-Phase durchmachen müssen. Das kann dann auch Jahre oder sogar Jahrzehnte
dauern.
Heißt aber nicht automatsich das die Strategie selbst schlecht ist, oder derjenige kein Investor ist, wenn es schmerzt.
Es ist wahrscheinlich eher der falsche Einstiegszeitpunkt.
Ein Anfänger muss natürlich gerade in den ersten Jahren überprüfen ob Aktienauswahl, Diversifizierung und
die Erwartung an die Strategie passen. Im Moment in der aktuellen Situation mit dem Ende des billigen Geldes,
Inflation, Zinserhöhungen, trüben Konjunjkturaussichten, unsichere Weltlage wegen Ukraine, kein einfaches
Unterfangen.
Könnte vielleicht auch hilfreich sein sich die Maps der unterschiedlichen Märkte über unterschiedliche Zeithorizonte
anzuschauen.
Performance
6 Monate
->
https://finviz.com/map.ashx?st=w26
1 Jahr
->
https://finviz.com/map.ashx?st=w52
Year-to-Date
->
https://finviz.com/map.ashx?st=ytd
Geht leider nicht weiter wie ein Jahr zurück....
Aber wäre auch wieder Glück und Zufall wenn man als Anfänger zur richtigen Zeit zu den wenigen grünen Werten,
Branchen gegriffen hat. Mit der entsprechenden Erfahrung von Jahren und Jahrzehnten spielt Glück und Zufall
vielleicht weniger eine Rolle.
Da gehört dann aber auch dazu das man sich mit den Zusammenhängen von Börse, Konjunktur, Wirtschaft,
Zins- und Geldpolitik ein wenig beschäftigt. Und meiner Meinung nach gehört auch immer ein Langfrist-Chartsetup
zur Anlyse der Indizes dazu. Einerseits um die aktuelle Lage sichtbar zu machen, andererseits um davon abhängig
bessere Einstiegszeitpunkte zu finden.
(24.06.2022, 10:18)fahri schrieb: [ -> ]würde ich mir aber eben an seiner Stelle auch einfach überlegen ob und wenn ja welches System an der Börse dann das passendste ist oder sein könnte.
Die Ergebnisse bzw. die Handlungsweise offenbaren ja im Moment, das das nicht der Fall ist.
Das war die Intention meiner Ursprungsfrage warum er aktuell denkt wie er denkt. Wobei ich denke das vor allem
der Zeitpunkt seines Einstiegs in den Börsenhandel mehr oder weniger am Ende einer Jahrzehnt-langen Rally der
Knackpunkt ist.