(30.04.2020, 08:45)fahri schrieb: [ -> ]Yep - wobei das nur ein Teil der Wahrheit ist - ich hab gestern einen Anruf von einem befreundeten Lehrers erhalten,
der an einem wirtschaftlichen Gymnasium, in dem einer meiner Söhne die 11. Klasse besucht, unterrichtet. Der hat mir
schon mal vorab gesagt das der Unterricht für meinen Sohn in diesem Schuljahr nicht mehr statt finden wird. Bei
meinem anderen - allgemeines Gymnasium - ebenfalls 11. Klasse - wird das nicht anders sein. Warum nicht ?
Die versuchen jetzt die Prüfungen durchzubekommen - so weit auch verständlich, dürfen nur max. 8 Leute
in einem Klassenraum unterbringen und brauchen demzufolge mal mindestens doppelt so viel Lehrer
wie vorher. Dazu kommt noch das an diesem Gymnasium aktuell 30% der Lehrer wegfallen, da sie
a) über 60 sind und damit per se zur Risikogruppe gehören und b) generelle Vorerkrankungen
haben, die als Risikogruppe eingestuft werden. Dieser Zustand wird bis kurz vor die Sommerferien
anhalten. Er will nicht ausschliessen, das die Kids dann ein oder zweimal noch in die Schule können
um nach Monaten Ihre Klassenkameraden oder Lehrer nochmal zu sehen. Was nach den Sommerferien
dann ist, wird man weiter sehen. Ich weiss an der Stelle nicht ob es allein die schlechte Vorbereitung ist,
aber auch hier sieht man deutlich das es für viele Dinge Erklärungen gibt, die wir auf den ersten Blick
eben nicht sehen oder verstehen können.
Hinsichtlich der Möglichkeiten des digitalen Unterrichts, sind beide Schulen nicht mal so schlecht
aufgestellt wie ich finde. Ich weiss nicht ob das überall so ist, aber die haben per Webcam
schon Unterrichtsstunden gemacht, haben ein zum Teil sehr umfangreiches Lernnetz und immer
die Möglichkeiten Ihre Lehrer telefonisch oder per Whatsapp / E-mail bei Fragen zu erreichen.
Aber das muss ja nicht überall so sein, gar keine Frage.
Digitaler Unterricht findet bei uns so gut wie gar nicht statt. Erst jetzt gibt es vereinzelt die eine oder andere Stunde
chaotischen Online-Unterricht über Videochat. Ansonsten kamen nur Lernaufträge und wenige Arbeitsunterlagen
von den Lehrern die zum Teil auch noch fehlerhaft waren. Physik in der 7. Klasse - 23 Schüler -> 22 Schüler haben
es falsch gelöst. 1 Schülerin hat den Fehler erkannt und die Aufgabe als einzige richtig gelöst. Die anderen haben
sich mit den Eltern erfolglos den Kopf zerbrochen. Wie sollen die Eltern das auch hinbekommen wenn unser
Physikunterricht schon 20 bis 30 Jahre zurück liegt und man es nie wieder gebraucht hat?
1 Lehrer könnte theoretisch tausende Schüler unterrichten -> anstatt ein Thema in 1-2 x 45 Minuten im Klassenzimmer
zu unterrichten könnte das Thema auch interaktiv mit Video-Vortrag, Fragen und Antworten (Kommentarfunktion neben
dem Video), Downloadmöglichkeiten von ergänzenden, unterstützenden, Arbeitsblättern, Übersichten usw. digitalisiert
werden. Wäre für jeden jederzeit unendlich oft abrufbar.
Unabhängig von Corona könnte so eine Wissens- und Unterrichtsdatenbank auch viel mehr Schüler zu besseren Schülern
machen. Würde sicher dazu führen das einige bessere Noten bekommen und dann auch bessere Chancen für Ausbildung
oder höhere Schulbildung und Studium haben. Beides sollte sich einfach ergänzen -> Präsenzunterricht ist richtig und
wichtig, auch für die soziale Entwicklung, aber die Effizienz könnte dann durch digitale Inhalte enorm gesteigert werden.
Nicht alle Schüler sind in allen Fächern gleich. Unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten, Tagesform, oder auch wenn manche
sich aus anderen Gründen (erste Liebe, Streit, Kummer) im Unterricht nicht konzentrieren können, können sie das Wissen
dann zuhause Online beziehen, nachholen, nacharbeiten. Auch bei Krankheit wird Schüler/in nicht total abgehängt.
Gut möglich das das in der jetzigen Situation vereinzelt auch besser gelöst ist. Aber bei uns auf jeden Fall nicht.
Die einen Lehrer geben sich wirklich Mühe, versuchen eigene Lösungen für die Situation zu finden oder sind auch per
Whatsapp engagiert, die anderen machen sich einen Lenz, sind fast gar nicht zu erreichen und wenn dann lustlos und
genervt. Teilweise schon der Hammer wie das abläuft.
Dabei kann man den Lehrern eigentlich keinen Vorwurf machen. Die sind dafür einfach nicht ausgebildet, nicht vorbereitet
und können ja nichts dafür das einfach nichts oder nur zu wenig vorhanden ist. Das ist Sache der Bildungsministerien
in Bund und Ländern und "unten" dann Sache der Städte, Gemeinden, Schulleitungen für entsprechende Angebote, Inhalte,
Rahmenbedingungen zu sorgen. Wenn ich da an meine Zeit in der Bankausbildung vor 25 Jahren zurückdenke gab es
da mehr. Für Bank- und Versicherungsthemen gab es auch interaktive CDs und digitale Unterlagen mit denen man sich
neben oder nach dem Unterricht oder Seminaren das Wissen erarbeiten, nacharbeiten, vertiefen konnte.
Das gleiche sollte es für den Schulunterricht zumindest auch für alle naturwissenschaftlichen Fächer geben - Mathe, Physik,
Bio, Chemie. Ist sowieso zu 90% das gleiche was da seit Jahrzehnten gelehrt wird. Es ändert sich fast nichts und wirklich
neues kommt nur wenig dazu. 1+1 ist 2 wird auch in 100 Jahren noch so ein. Gleiches gilt für Bruchrechnen, Integralrechnung,
oder binomische Formeln. Warum also nicht unterrichtsgerecht digitalisieren damit das als Ergänzung oder in der aktuellen
Situation als annähernd gleichwertiger Ersatz vorhanden ist?
Die Grafik hier sagt alles...
Quelle:
Leben mit der Corona-Krise
Corona: Deutsche Schulen sind auf E-Learning schlecht vorbereitet
Seit dieser Woche sind wegen Corona auch in Deutschland die Schulen geschlossen. Die Schüler sitzen zuhause vor ihren Computern - und warten. Kaum ein anderes Land in Europa ist so schlecht für E-Learning vorbereitet.
https://www.dw.com/de/corona-deutsche-sc...a-52840504
Tolle Leistung unserer Kultus- und Bildungsminister