30.04.2022, 14:57
(30.04.2022, 12:19)Lancelot schrieb: [ -> ]Ich bin zu 100% mit dir was den bekloppten "Ehrbegriff" angeht. Ich würde nie für "Ehre" in den Krieg zihen und bin nicht mal bereit Geld für "Ehre" zu verlieren.
Aber für die Menschenwürde schon!
Im Deutschen assoziieren wir den Begriff "Ehre" inzwischen fast vollständig mit einer patriarchalen Form der Stammescodizies und/oder mit Wertvorstellungen, deren oberste Priorität die Kontrolle der weiblichen Sexualität zu sein scheint.
Es ist aber durchaus so, dass der Begriff der "Ehre" komplexer ist.
Wenn sich ein Akteur auf der politischen oder wirtschaftlichen Bühne den Ruf erwirbt, dass mit ihn nicht gut Kirschen essen ist und er auch glaubwürdig machen kann, dass das weiterhin so ist, hat das einen gewissen rein instrumentellen Nutzen.
Zum Beispiel werden potenzielle Konkurrenten vorsichtiger und Drohungen werden ernster genommen.
Das selbe gilt aber auch für andere Formen der Reputation. Weiß ich, dass Max Mustermann es nicht mit seiner Ehre vereinbaren könnte, mich zu betrügen, dann werde ich ihn eher glauben als wenn nicht.
Genauso wenn Max Mustermann eine Kaufmannsehre hat, die es ihn nicht gestattet eine unverschämt höhe Gewinnmarge herauszuschlagen. Er würde das Ansehen seiner Standesgenossen verlieren, wenn das herauskäme.
Zieht man diese Betrachtung auf gesellschaftliche Ebene hoch, könnte man auf den Gedanken kommen, dass manche Gesellschaften bewusst ihren (vor allen Dingen männlichen) Mitglieder ein starkes Ehrgefühl vermitteln. Und dass das nicht völlig sinnlos ist.
Der Begriff der Menschenwürde hat durch das Wort "Würde" wiederum eine gemeinsame Geschichte mit "Ehre".
Lancelot schrieb:Die Frage ist doch Uralt: wie lange erträgt man den Bulli, bis man sich wehrt? Wohl wissend, dass das happy end, in dem sich der Unterdrückte erfolgreich wehrt, eher was für Hollywood ist.
Wenn man keine Chance darauf hat, die eigenen Umstände durch das Wehren zu verbessern, ist es niemals zweckrational sich zu wehren.
Es kann aber durchaus folgende scheinbar paradoxe Situation eintreten:
- Das Individuum, welches sich wehrt, hat dadurch keinen Nutzen, sondern eher nur Schaden.
- Wenn allerdings allgemein bekannt ist, dass das Individuum sich trotzdem wehrt, dann sehen potenzielle Angreifer davon ab zuzuschlagen.
- Es entsteht also sozusagen ein kollektiver Nutzen aus dem individuellen Schaden.
Die Biene verliert ihr Leben, wenn sie zusticht. Aber das Wissen, dass die Biene zustechen könnte verteidigt sie vor all ihren Feinden. Für die individuelle Biene wäre es sinnvoll, unter keinen Umständen zuzustechen, weil sie dann ihr Leben verliert. Der Schwarm dagegen profitiert enorm davon, dass einige Bienen zustechen.
(30.04.2022, 12:36)Lancelot schrieb: [ -> ]Ich denke nicht das es da ein Gentleman Agreement zwischen den Eliten gibt sich gegenseitig zu verschonen. Aber das die Eliten aus den Kriegen immer am besten herauskommen stimmt schon.
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass man ab einer gewissen Ebene vorsichtiger angefasst wird.