Kabinenpredigt
(T)ante Covic und die alte Dame
Ich hätte nicht in seiner Haut stecken wollen. Michael Preetz musste ja etwas schaffen, was völlig unmöglich war.
Er sollten einen Lucien Klopp mit Berliner Schnauze finden. Einen Trainer, der nicht nur taktisch europäische Spitzenklasse ist,
sondern auch ein Menschenfänger wie der Coach des FC Liverpool und dann eben auch einen,
der beim Kieztraining nicht erstmal nachfragen muss, was gemeint ist, wenn die Frage kommt:
“Kann ick mal n Foto schießen?!”
Alle suchten “The Next Nagelsmann”
Nein, Preetz war um seine Aufgabe nicht zu beneiden, zumal ja gefühlt die halbe Bundesliga “The Next Nagelsmann” suchte.
Dass sich der Lange selbst in diese Situation hineinmanövriert hatte, geschenkt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ein
echter Aufschrei durch die Fanbase ging, als das Ende der Trainer-Ära von Pal Dardai verkündet wurde.
Ein bisschen Traurigkeit, ja. Aber nur, weil Dardai dieser manchmal sehr eigentümliche Kauz mit dem ungarischen Herzen
auf der Zunge ist. Und nicht, weil er mit seinem begeisternden Fußball alle überzeugt hatte.
Dardais Aufgabe war ja von Beginn klar definiert: Hertha stabilisieren. Dafür bekommt er auf seinem Abschlusszeugnis
eine 1+ mit Sternchen. Mehr Stabilität geht nicht, als die, die Dardai diesem Klub in seinen viereinhalb Jahren eingeimpft hat.
Es hätte schon einen feuerspeienden Drachen gebraucht, um Dardais Team von seinem sicheren Bergfried zu stoßen.
Seine Punkte hat er immer frühzeitig gesammelt und dass sich die Fans (mich eingeschlossen) über schwache Rückrunden
echauffierten, liegt natürlich allein daran, dass Fußballfans nach wie vor schnell vergessen.
So eine Rückrunde wie Dardais erste, als Hertha erst am letzten Spieltag mit einer Niederlage in Hoffenheim und nur
aufgrund eines (!) mehr erzielten Tores in der Liga blieb, will sicherlich niemand eintauschen gegen das,
was Dardai danach ohne die großen finanziellen Mittel aufs Parkett zauberte.
Champions-League-Trainer ohne Champions-League-Mannschaft
Jetzt darf der nächste ran. Und, das muss man Preetz lassen, er hat mit der Hochstufung des ehemaligen U15-,
U19- und U23-Trainers Ante Covic, mehrere Baustellen auf einmal geschlossen, dass man schon unken könnte,
dass er bald in Schönefeld vorstellig wird.
Da ist zum einen die in der aktuellen Saison stark gestiegene Erwartungshaltung, die mit der Verpflichtung eines Trainers
wie André Villas-Boas in Sphären gestiegen wäre, die die der Fans von Game of Thrones bezüglich der letzten Staffel
noch übertrifft. Der Portugiese wäre zudem vor allem eine Verpflichtung für die Außendarstellung des Klubs gewesen:
Seht her, wir haben einen Champions-League-Trainer geholt. Hertha hätte in den Schlagzeilen gestanden, wäre mal
wieder international beachtet und vielleicht auch mal kurz wieder bewundert worden.
Doch da Champions-League-Trainer Villas-Boas keine Champions-League-Mannschaft vorgefunden hätte, war es
schon gut so, dass er am Ende wohl zu teuer war. Ante Covic dagegen ist im Vergleich dazu eine Lösung, die im Rest
der Welt nur eine Randnotiz unten links auf der Zeitungsseite war. Ante wer? Ach, ein zweiter Dardai. Alles klar.
Hertha bleibt sich treu. Und an dieser Stelle sollten alle Hertha-Fans mal kurz darüber nachdenken, ob das nicht das Beste
an der ganzen Nummer ist. David Wagner wäre nämlich auch so einer gewesen, dem man schon qua seiner Vita
keine Fehler verziehen hätte. Der war doch mal bei Schalke.
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Investitionen müssen sitzen
Denn das ist ja die dritte Wahrheit der Verpflichtung von Ante Covic: Hertha ist nach wie vor – und erst recht nach
dem Rückkauf der Anteile von KKR – kein Klub, der mit Geld um sich werfen kann, sondern einer, dessen Investitionen
weiterhin sitzen müssen, um Erfolg zu haben. Und wenn Michael Preetz von einer Investition nicht überzeugt ist,
dann lässt er sie lieber liegen und gibt einem eine Chance, der bislang noch keine hatte.
Das kann man öde finden oder bodenständig. In jedem Fall ist es angesichts der Finanzsituation richtig.
Hinzukommt, dass Covic eine echte Verbesserung zu allem ist, was Preetz
vorher so geholt hat.
Oder will ernsthaft jemand nochmal einen Typ Markus Babbel? Michael Skibbe? Friedhelm Funkel? Otto Rehhagel?
Ich habe jetzt ein paar Tage Zeit gehabt, um über den Trainer Ante Covic nachzudenken. Ich habe alle Texte gelesen,
mir alte und neue Videos angeschaut. Ich habe versucht, mich in die Mannschaft hineinzuversetzen:
Wie nimmt sie seine Verpflichtung auf? Kann er, der doch eigentlich noch nichts erreicht hat, mit diesen zum Teil
sehr abgezockten Jungs umgehen (ich schaue da vor allem dich an, Vedad Ibisevic!)? Wird er Erfolg haben, obwohl er
möglicherweise einen schwächeren Kader vorfindet, als Dardai momentan? Und was wäre dann ein Erfolg?
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Kommunikation ist alles
Vieles wird wegen dieser vielen Unwägbarkeiten darauf ankommen, wie er kommuniziert. Intern wie extern.
Ersteres kann ich nicht beurteilen, letzteres Dank der vielen Videos im Netz schon. Und da scheint Covic durchaus
zu wissen, welche Knöpfe er drücken muss, um beim Publikum anzukommen.
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Eine Unbekannte ist für mich noch der neue Co-Trainer Mirko Dickhaut. Diese Position war unter Dardai ja eine sehr wichtige, Rainer Widmayer hat – so kam es jedenfalls stets rüber – einen sehr besonderen Zugang zur Mannschaft gehabt, gefühlt durchaus auch als Gegenpol zum manchmal knurrigen Chef.
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Tatsächlich war übrigens auch ich (wie so viele bei Twitter und Facebook) am Anfang sogar kurz ein bisschen enttäuscht,
als vermeldet wurde, dass Covic neuer Trainer wird. Ich konnte allerdings vorher schon nicht formulieren,
was für einen Trainer ich eigentlich haben wollen würde. Klassischer Kinder-Move: Erst nicht sagen, was man will und
sich dann darüber beschwerden, was man bekommt.
Das Problem ist ja – wie für alle anderen Profiklubs außer Liverpool und ManCity – dass es Klopp und Guardiola nur einmal gibt.
Vorfreude steigt
Aber je mehr ich mir von Ante Covic und über Ante Covic anschaute, desto mehr stieg die Vorfreude auf ein
erstes Trainerjahr mit diesem Typen, der wirklich Herthaner ist, der nicht auf die Idee kommen wird,
beim ersten echten Gegenwind sofort hinzuschmeißen (ich schaue dich an, Lucien F.!) oder bei dem man das Gefühl hat,
dass er eigentlich gar nicht da sein möchte (stimmt, Markus B.?).
Vielmehr ist da eine gewisse Hoffnung, dass es vielleicht wieder klappen könnte mit einem Eigengewächs.
Dass das das neue Ding von Hertha werden könnte und wir hinterher alle drüber lachen können,
dass wir ernsthaft daran gezweifelt haben, ob (T)ante Covic unsere Alte Dame gut behandeln würde.
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..... hier weiterlesen -----> https://herthabase.com/2019/05/16/tante-...alte-dame/
Ojay