So, nun habe ich endlich mal die Zeit, etwas ausführlicher antworten zu können.
Zunächst einmal herzlichen Dank an Lancelot für die gelungene Unterhaltung - ich habe es genossen.
Dann muß ich gestehen, daß ich von Michael Voigt weder das Große Buch der Markttechnik noch sonst eines seiner Bücher jemals gelesen habe und auch nicht beabsichtige dies zu tun.
Here's why:
Von mir herausgekramt ein schon etwas älteres kurzes Video aus dem Jahre 2014, wo Michael Voigt - wie sollte es anders sein - seiner Bücher anpreist.
https://www.youtube.com/watch?v=zW7TgK2M7DE&t=28s
Gefühlte mehrere tausend Male fällt hier der Begriff vom "fachlich sauberen" Traden. Das wiederum erinnert mich sehr stark an eine Geschichte, die sich in meinem Umfeld vor Jahrzehnten zugetragen hat.
Zeitsprung zurück ins letzte Jahrundert Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre. In einer großen deutschen Stadt trafen sich um die Mittagszeit in der Zentrale der Bayerischen Hypobank eine ganze Reihe privater Anleger und Zocker rund um ein Terminal mit Realtime-Kursdaten zum Börse gucken und mit den anderen Herumstehenden mehr oder weniger kluge Gespräche zu führen. Börsenforum 1.0 sozusagen in der Vor-Internetzeit. Dort traf man dann auch auf allerlei skurrile Figuren, deren Unterhaltungswert allein schon Grund genug zum Besuch dieser Veranstaltung war, auch wenn man sich für Börse nur am Rande interessierte. In den Abendstunden wurde wegen Schließung der Zentrale die Veranstaltung in einer kleinen Filiale derselben Bank fortgeführt, in der ein ebensolches Terminal im Vorraum aufgestellt war, wo auch die Geldautomaten standen.
Einer dieser etwas skurrilen Figuren war jemand, der zur Eröffnung des US-Markts um 15:30 Uhr mit Bleistift und Millimeterpapier erschien und den Chart des S&P Futures akribisch nachzeichnete (Aufrufen von Realtime-Charts ging an dem Terminal nicht). Bei Erreichen bestimmter Marken im Chart wurde dann der Broker angeufen und eine Future-Order abgesetzt. Einer seiner Lieblingsausdrücke war "technisch sauber". Der Markt hatte "technisch sauber" eine bestimmte Formation vollendet oder an einem Punkt gedreht. Immer wenn diese Worte fielen, brachte es bei unserem kleinen drei- bis vierköpfigen Zockerkreis ein stilles Lächeln auf die Lippen.
Ich bin mir sicher, wenn sich Mr. Fachlich Sauber (Voigt) und Mr. Technisch Sauber (Millimeter-Chartzeichner) damals über den Weg gelaufen wären, hätten sie sich auf Anhieb hervorragend verstanden (später vielleicht nicht mehr so) und einem Börsen-Luftikus wie mir, der das mit der Technik nicht ganz so genau nahm, mit seinen technisch treggischen Trades gründlich den Kopf gewaschen. Zum Glück ist das nie passiert.
Auch damals beschlichen mich einige Zweifel, ob eine solche Herangehensweise an den Markt denn überhaupt von Erfolg gekrönt sein könne, denn - meinte ich zu ihm - immerhin säßen doch in New York und Chicago ganze Heerscharen von technischen Analysten mit ungleich höherer Analyse- und Rechenpower, immer am Anfang der Informationskette und nicht wie du am Ende, die dann auch mal ein technisches Kaufsignal auslassen, wenn sie von irgendwoher wissen, daß ein Großer in Kürze noch was geben wird.
Ja ja, das wisse er, aber das sei nicht weiter schlimm, denn gegen die wolle er ja gar nicht antreten, sondern quasi mit ihnen zusammen die ganzen "Dummen" abzocken, die sich keiner Chartanalyse bedienten, und von denen gäbe es ja genug. Was zu dieser Zeit, als zumindest hier in Deutschland die technische Analyse kundenseitig noch total in den Kinderschuhen steckte, gar nicht mal verkehrt war. Er selbst fühlte sich quasi als Mitglied eines exklusiven Clubs immerhin mit Brokerkonto (das hatte so gut wie niemand) und dann auch noch Future-Trader (das machten von den Niemands noch viel weniger) - da war man wer.
Weil sich der langfristige Erfolg jedoch nicht so recht einstellen wollte, ging er einige Jahre später dann selber zum Broker, der ihn vermutlich nur deswegen anstellte, weil er hoffte, daß er aus seinem nahen und entfernten Bekanntenkreis von Börseninteressierten eine hinreichende Zahl an Neukunden heranschaffen würde. So geschah es dann auch, und zum Wohlgefallen seines Arbeitgebers versuchte er auch gleich diese zum Daytrading zu animieren (ein Roundturn im FDAX kostete damals noch 70 bis 100 D-Mark pro Kontrakt!!!). Zugutehalten muß man ihm allerdings, daß er selbst eine ehrliche Haut war und wirklich daran geglaubt hat, ganz im Gegensatz zu seinem Arbeitgeber, der ihm schon von vornherein klarmachte, daß alle Konten früher oder später den Bach runtergingen und es darauf ankäme, bis zu diesem Moment so viel Commission wie möglich rausgeholt zu haben.
Technisch sauber - fachlich sauber - ja, ich setze auch meine Limite sehr oft in der Nähe von Marken, von denen ich ausgehe, daß eine hinreichende Anzahl anderer Marktteilnehmer sie auch beachtet, und frappierend oft stimmen die sogar. Was da aber sonst teilweise abgeht an Moves up and down, Fehlausbrüchen, Scheintrendwechseln etc. pp., da würde mir kein schlaues Buch der Markttechnik jemals weiterhelfen können.
Wer kauft oder verkauft nach mir und warum? Das weiß doch Herr Voigt ebenso wenig wie (fast) alle anderen auch, d.h. ich weiß es teilweise schon, weil ich über die Jahre ungefähr mitbekommen habe, nach welchen Mustern meine Kunden und ihresgleichen handeln, doch ich weiß nicht, ob deren Transaktionen in dem Moment, in denen sie stattfinden, noch irgendeine Marktrelevanz haben, oder ob nicht zu dieser Zeit schon ein ganz anderes Lied am Markt gespielt wird, das alles überlagert. Mehr zu dieser und weiteren Fragen nächsten Teil.
Zunächst einmal herzlichen Dank an Lancelot für die gelungene Unterhaltung - ich habe es genossen.

Dann muß ich gestehen, daß ich von Michael Voigt weder das Große Buch der Markttechnik noch sonst eines seiner Bücher jemals gelesen habe und auch nicht beabsichtige dies zu tun.
Here's why:
Von mir herausgekramt ein schon etwas älteres kurzes Video aus dem Jahre 2014, wo Michael Voigt - wie sollte es anders sein - seiner Bücher anpreist.
https://www.youtube.com/watch?v=zW7TgK2M7DE&t=28s
Gefühlte mehrere tausend Male fällt hier der Begriff vom "fachlich sauberen" Traden. Das wiederum erinnert mich sehr stark an eine Geschichte, die sich in meinem Umfeld vor Jahrzehnten zugetragen hat.
Zeitsprung zurück ins letzte Jahrundert Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre. In einer großen deutschen Stadt trafen sich um die Mittagszeit in der Zentrale der Bayerischen Hypobank eine ganze Reihe privater Anleger und Zocker rund um ein Terminal mit Realtime-Kursdaten zum Börse gucken und mit den anderen Herumstehenden mehr oder weniger kluge Gespräche zu führen. Börsenforum 1.0 sozusagen in der Vor-Internetzeit. Dort traf man dann auch auf allerlei skurrile Figuren, deren Unterhaltungswert allein schon Grund genug zum Besuch dieser Veranstaltung war, auch wenn man sich für Börse nur am Rande interessierte. In den Abendstunden wurde wegen Schließung der Zentrale die Veranstaltung in einer kleinen Filiale derselben Bank fortgeführt, in der ein ebensolches Terminal im Vorraum aufgestellt war, wo auch die Geldautomaten standen.
Einer dieser etwas skurrilen Figuren war jemand, der zur Eröffnung des US-Markts um 15:30 Uhr mit Bleistift und Millimeterpapier erschien und den Chart des S&P Futures akribisch nachzeichnete (Aufrufen von Realtime-Charts ging an dem Terminal nicht). Bei Erreichen bestimmter Marken im Chart wurde dann der Broker angeufen und eine Future-Order abgesetzt. Einer seiner Lieblingsausdrücke war "technisch sauber". Der Markt hatte "technisch sauber" eine bestimmte Formation vollendet oder an einem Punkt gedreht. Immer wenn diese Worte fielen, brachte es bei unserem kleinen drei- bis vierköpfigen Zockerkreis ein stilles Lächeln auf die Lippen.
Ich bin mir sicher, wenn sich Mr. Fachlich Sauber (Voigt) und Mr. Technisch Sauber (Millimeter-Chartzeichner) damals über den Weg gelaufen wären, hätten sie sich auf Anhieb hervorragend verstanden (später vielleicht nicht mehr so) und einem Börsen-Luftikus wie mir, der das mit der Technik nicht ganz so genau nahm, mit seinen technisch treggischen Trades gründlich den Kopf gewaschen. Zum Glück ist das nie passiert.

Auch damals beschlichen mich einige Zweifel, ob eine solche Herangehensweise an den Markt denn überhaupt von Erfolg gekrönt sein könne, denn - meinte ich zu ihm - immerhin säßen doch in New York und Chicago ganze Heerscharen von technischen Analysten mit ungleich höherer Analyse- und Rechenpower, immer am Anfang der Informationskette und nicht wie du am Ende, die dann auch mal ein technisches Kaufsignal auslassen, wenn sie von irgendwoher wissen, daß ein Großer in Kürze noch was geben wird.
Ja ja, das wisse er, aber das sei nicht weiter schlimm, denn gegen die wolle er ja gar nicht antreten, sondern quasi mit ihnen zusammen die ganzen "Dummen" abzocken, die sich keiner Chartanalyse bedienten, und von denen gäbe es ja genug. Was zu dieser Zeit, als zumindest hier in Deutschland die technische Analyse kundenseitig noch total in den Kinderschuhen steckte, gar nicht mal verkehrt war. Er selbst fühlte sich quasi als Mitglied eines exklusiven Clubs immerhin mit Brokerkonto (das hatte so gut wie niemand) und dann auch noch Future-Trader (das machten von den Niemands noch viel weniger) - da war man wer.

Weil sich der langfristige Erfolg jedoch nicht so recht einstellen wollte, ging er einige Jahre später dann selber zum Broker, der ihn vermutlich nur deswegen anstellte, weil er hoffte, daß er aus seinem nahen und entfernten Bekanntenkreis von Börseninteressierten eine hinreichende Zahl an Neukunden heranschaffen würde. So geschah es dann auch, und zum Wohlgefallen seines Arbeitgebers versuchte er auch gleich diese zum Daytrading zu animieren (ein Roundturn im FDAX kostete damals noch 70 bis 100 D-Mark pro Kontrakt!!!). Zugutehalten muß man ihm allerdings, daß er selbst eine ehrliche Haut war und wirklich daran geglaubt hat, ganz im Gegensatz zu seinem Arbeitgeber, der ihm schon von vornherein klarmachte, daß alle Konten früher oder später den Bach runtergingen und es darauf ankäme, bis zu diesem Moment so viel Commission wie möglich rausgeholt zu haben.
Technisch sauber - fachlich sauber - ja, ich setze auch meine Limite sehr oft in der Nähe von Marken, von denen ich ausgehe, daß eine hinreichende Anzahl anderer Marktteilnehmer sie auch beachtet, und frappierend oft stimmen die sogar. Was da aber sonst teilweise abgeht an Moves up and down, Fehlausbrüchen, Scheintrendwechseln etc. pp., da würde mir kein schlaues Buch der Markttechnik jemals weiterhelfen können.
Wer kauft oder verkauft nach mir und warum? Das weiß doch Herr Voigt ebenso wenig wie (fast) alle anderen auch, d.h. ich weiß es teilweise schon, weil ich über die Jahre ungefähr mitbekommen habe, nach welchen Mustern meine Kunden und ihresgleichen handeln, doch ich weiß nicht, ob deren Transaktionen in dem Moment, in denen sie stattfinden, noch irgendeine Marktrelevanz haben, oder ob nicht zu dieser Zeit schon ein ganz anderes Lied am Markt gespielt wird, das alles überlagert. Mehr zu dieser und weiteren Fragen nächsten Teil.