RE: Fragestellung - wann ist ein Titel fair bewertet - Märkte derzeit überbewertet ?
| 30.01.2019, 09:14(29.01.2019, 20:14)muchmoney schrieb: ...Ich sage auch weiterhin die Börse ist eine Kunst, keine Wissenschaft, und alle die versuchen sie in mathematische Formeln und Logik zu pressen werden daraus auch nicht schlauer...
Kann man so sehen - sehe ich aber persönlich nicht so schwarz/weiß, sondern eher grau.
Im Thread-Titel steht schon das eigentliche Problem. Wie finde ich fair bewertete Titel in einem (gefühlt) überbewertetem Markt.
Ich versuche also schlauer zu sein, als der Gesamtmarkt, weil ich die Werte suche, die nicht überbewertet sind. An der Stelle bin ich bei denen, die sagen, dass es eine Kunst ist bzw. dass und die Recherche zumindest das Gefühl vermitteln soll, bessere Entscheidungen zu treffen. Auf Basis von Einzeltiteln im Vergleich zum Gesamtmarkt ist es dann wohl wirklich eher eine Kunst denn eine Wissenschaft, die sich nicht wirklich in mathematische Formeln und Logik pressen lässt, weil es für jede auszuwertende Kennzahl Meinungen gibt, die sie für sehr gut geeignet halten und andere wieder nicht.
Auf den Gesamtmarkt betrachtet allerdings kann man es schon an klaren Kriterien festmachen. Wenn ich davon ausgehe, dass Märkte zyklisch sind und auf beiden Seiten des Skala zu Übertreibungen neigen und historisch betrachtet die Renditen momentan sehr niedrig sind (vor kurzem bei höheren Kursen noch niedriger), dann kann ich mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Überbewertung ausgehen. Deshalb kaufe ich jetzt NICHT. Wenn ich bereits investiert bin, bedeutet das aber nicht, dass ich jetzt verkaufen muss, denn die Kurse können ja noch deutlich weiter steigen. Gerade Anfang der Woche hab ich mein Depot halbiert. Es ist verhältnismäßig klein zum Restvermögen, aber ich sehe die Märkte gerade am Scheidepunkt und die aktuelle Aufwärtsbewegung kann damit eine Korrektur vor einem größeren Crash sein oder aber es kann auch noch höher gehen. Deshalb hab ich die Hälfte rausgenommen und werde diese später reinvestieren, bin aber noch mit einer Hälfte dabei, falls es doch weiter rauf geht. Nach dem nächsten ATH werden aber nicht mehr so viele folgen, wenn ich weiter an dem Glauben der Zyklik festhalte. Und damit bin ich beim Punkt.
Wenn ich von zyklischen Märkten ausgehe und statistisch gesehen aktuell hohe Bewertungen vorliegen und die Wahrscheinlichkeit für einen größeren Crash zunehmend steigt, dann basiert diese Einschätzung rein auf Zahlenmaterial und Logik für den Gesamtmarkt. Wenn ich zu Dividenden-Renditen von 2% investiere, braucht es 50 Jahre bei gleichbleibenden Dividenden, bis mein Investment sich selbst bezahlt hat. Niedriger Return bei verhältnismäßig hohem Risiko wegen der Zyklik. Wenn ich weiß, dass es bei Crashs zu Übertreibungen kommen kann, die in ihrer Folge Dividendenrenditen von 10% oder mehr und KGVs von 5 bieten, dann sind das deutlich bessere Startbedingungen für Investments. Gefühlsmäßig wird von Aktien dann niemand was wissen wollen, aber hier kommt dann die Titelauswahl ins Spiel indem ich halt nur Aktien von Unternehmen kaufe, die ein profitables Geschäftsmodel haben.
Meines Erachtens macht also die mathematisch-logische Analyse vor allem im Bezug auf den Gesamtmarkt Sinn und wenn hohe Renditen im Gesamtmarkt zu erzielen sind, dann liegt das in aller Regel an starkt gefallenen Kursen was für ein entsprechend angespanntes wirtschaftliches Umfeld spricht und dann will man Aktien von Unternehmen halten, die in 3 oder 4 Jahren immer noch solvent und profitabel sind (Einzeltitelauswahl im Gesamtmarkt).
Um nochmal auf das Thema Gefühl zurückzukommen. Hier wurde geschrieben, dass die ganze Analyse uns am Ende nur das Gefühl suggeriert, eine bessere Entscheidung getroffen zu haben und am Ende teile ich diese Meinung, denn in einem Crash verlieren alle Geld, die long in Aktien sind und in einem Bullenmarkt verdient selbst ein Affe Geld, der seine Titel per Dart auswählt.
Und abschließend das 80-20-Pareto-Thema. Wenn ich 80% der Zeit mit Warten verbringe, bis der Gesamtmarkt in einem Zustand ist, wo sich das Investieren wieder lohnt, dann kann ich die restlichen 20% meiner Zeit dann mit dem Investieren in diesem Umfeld verbringen und werde allein dadurch wohl 80% meiner Gesamtperformance erzielen.
Ich warte also weiter auf den Crash und habe Risiko aus dem Markt genommen, bin aber noch teilweise investiert. Und wenn das Gesamtumfeld dann nach dem Crash entsprechend bereinigt ist (mit Zahlenmaterial unterlegt), werde ich Einzeltitel anhand klarer Kriterien auswählen, wobei das nicht einer Gewinnmaximierung (möglichst hohes Wachstum) sondern einer Risikominimierung (möglichst profitable Unternehmen auch in wirtschaftlich stressigen Zeiten) dient. Andere werden dann im nachfolgenden Bullenmarkt prozentual sicher deutlich mehr verdienen können, aber das ist mir wurscht, denn ich will nicht schnell reich sondern langfristig finanziell unabhängig werden.