Was ist denn jetzt schon wieder los, wieso kommt die große Deindustrialsierung denn nicht?
Zitat:Das neue deutsche Pharmawunder
Von Sebastian Balzter
23.07.2024
...Dort will das schwäbische Familienunternehmen Vetter in den kommenden Jahren vielmehr für rund 450 Millionen Euro eine hochmoderne neue Fertigung bauen. Nicht für Autos, sondern für Arzneimittel.
Das ist kein Zufall. Mag die Stimmung in anderen Wirtschaftszweigen noch so mies sein, mögen Manager und Unternehmer noch so sehr über die deutschen Zustände klagen und ihre Zukunft im Ausland suchen: Die Pharmabranche investiert munter in Deutschland.
Die Serie der frohen Botschaften, in die sich die Geschichte aus Saarlouis einreiht, ist lang und angesichts der Gesamtlage spektakulär.
Für den größten Wirbel sorgte Eli Lilly aus Amerika. Der Konzern errichtet für 2,3 Milliarden Euro ein Werk in Alzey, wo künftig jene Abnehmspritzen gefertigt werden sollen, die Eli Lilly zu einem der wertvollsten Börsenunternehmen der Welt gemacht haben. Daiichi Sankyo aus Japan investiert eine Milliarde Euro in Pfaffenhofen, vor allem um neue Krebsmedikamente zu entwickeln. Der Schweizer Roche-Konzern erweitert für 600 Millionen Euro seine Produktion in Penzberg. In Mainz baut Biontech, beflügelt vom Erfolg des Corona-Impfstoffs, gleich an mehreren Adressen. Sogar Bayer, der zurzeit arg gebeutelte Platzhirsch, gibt in Berlin Geld für ein neues Gen- und Zelltherapiezentrum aus. Der Ratiopharm-Mutterkonzern Teva aus Israel hat in Ulm rund eine Milliarde Dollar investiert, Boehringer Ingelheim für 350 Millionen Euro ein neues Biotechnologiezentrum in Biberach bezogen, Pfizer sein Werk in Freiburg für 300 Millionen Euro ausgebaut. Und für etwa die gleiche Summe baut Merck an seinem Stammsitz in Darmstadt ein neues Forschungszentrum.
Deutschland, glücklich Pharmaland?
Dass es vielen Pharmafirmen gerade so gut in Deutschland gefällt, ist erstaunlich, aber erklärbar. Man muss dafür nur ein paar Eigenheiten der Branche kennen. An ein paar alte deutsche Tugenden denken. Und über ein paar Termine Bescheid wissen, die in den beiden vergangenen Jahren in Berlin stattfanden.
Es fing nach Informationen der F.A.S. damit an, dass ein Dutzend Konzernchefs aus aller Welt ihre Aufwartung im Bundeskanzleramt machten, um für ihre Sache zu werben – und zu sagen, was in Deutschland nerve, die langen Genehmigungsdauern für klinische Studien etwa und die Einschränkungen bei der Nutzung medizinischer Daten. Es folgten Gespräche im kleineren Kreis. Sowohl Wirtschaftsminister Robert Habeck als auch Kanzler Olaf Scholz nahmen sich Zeit. Man sprach über Medikamente und geostrategische Sicherheit, über Innovation und Wertschöpfung, über den Zusammenhang von Arzneimittelerstattung und Standortattraktivität.
Es habe damals keine Liste einzelner anstehender Investitionsentscheidungen auf dem Tisch gelegen, berichtet ein Teilnehmer dieser Runden. Es sei eher um das große Ganze gegangen – und darum, dass die Pharmafirmen anders als zuvor die Chiphersteller Intel und TSMC für ihre Vorhaben keine Subventionen vom Staat verlangten.
Gleichzeitig arbeiteten die Ökonomen aus dem Sachverständigenrat der Regierung, besser bekannt als „Wirtschaftsweise“, an ihrem Jahresgutachten. Ein Schwerpunkt darin liegt auf den Aussichten verschiedener Wirtschaftszweige, in Deutschland künftig für Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, Wohlstand zu sorgen. In keiner anderen Branche, fanden die Fachleute heraus, steigern Investitionen in neue Geräte, Maschinen und Anlagen die Produktivität so sehr wie bei der Herstellung von Arzneimitteln. Außerdem ist die Pharma-Belegschaft jünger, die Wertschöpfung je Beschäftigten höher als anderswo. Eine goldene Mischung. „Das spielte für unsere Überlegungen natürlich eine Rolle“, sagt Jörg Kukies, der als Staatssekretär im Kanzleramt für die Wirtschaftspolitik zuständig ist.
Heraus kam Ende 2023 die „Pharmastrategie“ der Koalition, die außer vielen netten Worten ein Gesetz zur Erleichterung der Arzneimittelentwicklung gebracht hat....
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/u...67324.html
https://archive.is/9uOFp#selection-2327.0-2333.159
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Kinder wollen nicht wie Fässer gefüllt, sondern wie Fackeln entzündet werden.