Teil II
Zitat:Wie bei den Transfers sollten auch die gesamten Staatsausgaben am Umsatz eines Landes und nicht am BIP gemessen werden, wenn man die Rolle des Staates in der Wirtschaft halbwegs erfassen will (vgl. Grafik oben). Dabei zeigt sich, dass der Schub nach der Pandemie längst abgebaut ist. Zuletzt sind offensichtlich die Subventionen zur Förderung der grünen Transformation sowie die Sozialhilfen durch die steigende Arbeitslosigkeit gestiegen.
Steuer- und Abgabenlast ist für Deutschland moderat
Die Grösse des Staatshaushalts spricht aber nicht unbedingt dagegen, dass die privaten Investitionen, wie in den USA, noch stärker über die (grünen) Subventionen gefördert werden könnten: falls es denn nach der Wahl politisch gewollt ist. Die Belastung der Unternehmen und Privathaushalte durch Steuern und Abgaben könnte zwar niedriger sein – gerade im Vergleich zur Schweiz. Aber als Ursache für die Stagnation fällt auch sie aus.
Die deutsche Volkswirtschaft scheint jedenfalls an die hohe Last gewöhnt zu sein, denn sie hat auch 2012 bis 2019 nicht das Wachstum abgewürgt: Mit 40,2% liegt die Steuer- und Abgabenlast gemessen am BIP-Einkommen aktuell sogar auf dem Niveau von 2017 (vgl. Grafik oben). Allein die Steuerquote der Unternehmen und Haushalte liegt mit 22,9% des Bruttoinlandprodukts auf dem Niveau von Ende 2012.
Ein Blick auf die Unternehmen an sich liefert zudem die Bundesbank in der Regel immer zum Ende eines Jahres in ihrem Monatsbericht. Darin analysiert sie die veröffentlichten Unternehmensbilanzen und rechnet die Werte auf die Volkswirtschaft hoch (vgl. Grafik unten). Für 2023 haben die Unternehmen demnach 17,4% der Vorsteuergewinne an den Staat abgeführt. Das war deutlich weniger als die 22,7% ein Jahr zuvor.
Die Jahre 2021/22 waren allerdings auch dadurch geprägt, dass die Unternehmen den Kostenschub in den Verkaufspreisen weitergegeben und die Inflation angeheizt haben. Die Gewinnmargen am Umsatz blieben zwar weitgehend stabil, was gegen die These der «Gierflation» spricht. Aber der Gewinnanteil am Einkommen stieg trotzdem, während der Lohnanteil sank: Die Folge war eine von den Profiten getriebene Inflation, die sich möglicherweise in einer höheren Steuerlast niederschlug.
Fakt ist jedenfalls, dass die erheblich gesunkene Steuerlast 2023 nicht zu einer Erholung der Investitionen geführt hat. Wer hier grosse Hoffnungen auf die nächste Bundestagswahl und die nächste Regierung hegt, sollte diese wohl eher begraben. Was allerdings beachtet werden muss: Bei der Analyse der Unternehmensbilanzen werden auch Geschäfte ausserhalb Deutschlands berücksichtigt.
Abbau der Bürokratiekosten wirkt erst nach Jahren
Die Bundesbank verweist in ihrer jüngsten Prognose auch auf eine Umfrage des Ifo-Instituts im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen aus dem Jahr 2023 (vgl. Grafik unten). Demnach sagt die Mehrheit, dass sie die Regulierungsdichte und Bürokratie als wichtigsten Dämpfer für ihre Investitionen sieht. Wie bei den Steuern dürfte aber auch hier gelten, dass dies kaum der Auslöser für die Stagnation war.
Das Ifo-Institut hat gerade erst im Herbst eine Studie veröffentlicht, in der es einen eigenen Bürokratieindex präsentiert hat (vgl. Grafik unten). Dieser basiert auf der «Doing Business»-Umfrage der Weltbank und soll die Bürokratielast umfassender abbilden als nur die direkten Kosten, die Bundesgesetze mit sich bringen: zum Beispiel auch den Aufwand für Genehmigungen, Steuererklärungen oder den Export und Import.
Die Ifo-Forscher kommen zu dem überraschenden Schluss, dass sich von 2006 bis 2022 nicht viel verändert hat in Deutschland: «Darüber hinaus stagniert der Bürokratieaufwand in Deutschland in den letzten fünfzehn Jahren, im Gegensatz zu anderen OECD-Ländern, die eine signifikante Reduktion über die Zeit aufweisen», schreiben sie.
Die Ifo-Ökonomen erhoffen sich auf Basis ihrer Modellrechnung, dass eine ähnlich gross angelegte Reform wie in den anderen Ländern nach einigen Jahren einen einmaligen Schub von fast 150 Mrd. € Wirtschaftsleistung bringen wird: Um diesen Betrag wäre jedes Jahr das BIP höher.
Auf das Wachstum selbst wirkt der Bürokratieabbau also wie eine Steuersenkung: Im Zweifel also nur einmalig, denn die Entlastung steigt ja nicht jedes Jahr um die rund 150 Mrd. €. Klar ist: Niemand sollte sich eine schnelle Lösung für ein Ende der Stagnation durch den Bürokratieabbau erhoffen.
Keine Übertreibung bei den Arbeitskosten
Oft werden auch die Arbeitskosten angeführt, die die Unternehmen ausbremsen würden. Real, also inflationsbereinigt, liegen sie jedoch pro Stunde auf dem Niveau von 2015 und sogar wieder deutlich unter der Produktivitätsentwicklung (vgl. Grafik unten): Das heisst, tatsächlich stabilisieren die Lohnkosten die Unternehmen, nicht umgekehrt.
In Zeiten schrumpfender Betriebsgewinne (also des volkswirtschaftlichen Cashflows) sind allerdings alle Kosten zu hoch (vgl. Grafik unten). Das ist der eigentliche Grund, warum die Unternehmen gerade beginnen, ihre Stellen zu streichen: um die Arbeitskosten zu senken. Und genau das ist das Wesen einer Konjunkturkrise, keiner Strukturkrise.
Allein gemessen am Umsatz zeigt die Lohnsumme ebenfalls keine übermässigen Übertreibungen (vgl. Grafik unten). Und das, obwohl die Arbeitnehmer die Kaufkraftverluste mit hohen Lohnsteigerungen aufgeholt haben. Der Umsatzanteil der Löhne spricht also keinesfalls für dringenden Handlungsbedarf, wenn denn die schrumpfenden Gewinne nicht wären. Aber auch das geht einmal vorbei.
Was die Unternehmen immer noch deutlich belastet, sind die hohen Kosten für Vorprodukte wie Energie und Materialien (vgl. Grafik oben). Und das in Zeiten, in denen die Kostenschübe nicht mehr an die Preise weitergegeben werden können, weil die riesigen Ersparnisse aus der Pandemie jetzt fehlen. Schlussendlich verschlechtert dies die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf den Weltmärkten, genau wie das Preisdumping der Chinesen.
Da die Wirtschaftsschwäche jedoch stärker aus dem Inland als aus dem Ausland kommt, könnte die Wirtschaftspolitik tatsächlich helfen, die Konjunktur anzukurbeln, wie Teil 2 dieser Serie zeigen wird. Denn eins hilft am Ende immer gegen steigende Kosten: höhere Investitionen und Gewinne. Diese brauchen aber in erster Linie Nachfrage, sonst helfen kurzfristig auch die beste Angebotspolitik oder die besten Abschreibungsbedingungen nichts mehr.
https://www.fuw.ch/deutschland-anatomie-...7885525073
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Kinder wollen nicht wie Fässer gefüllt, sondern wie Fackeln entzündet werden.