(13.08.2019, 08:59)atze2000 schrieb: Na da frage ich doch mal Welche Vorgehensweisen würdest du Anfänger empfehlen ?
Da hast Du natürlich eine Antwort verdient. Ich kapere nicht gerne Threads; die Ausgangsfrage des TE war ja eine andere. Aber da ein Admin immer Recht hat , antworte ich gerne. Ich versuche es mal:
0) Vorfrageweise muss ein Einsteiger (ich brauche jetzt dieses nettere Wort) sich die Frage "ETFs oder Einzelwerte" stellen. Ich lasse im Folgenden diese Frage aber weg, weil Deine Frage ja die Prämisse setzt, dass sich der Einsteiger für Einzelwerte entschieden hat (natürlich ist das mit ETFs kombinierbar, aber auch das lasse ich weg).
1) Ich empfehle dem Einsteiger, zunächst nur (mögliche Ausnahme folgt noch unter 4) auf Unternehmen zu setzen, die in weltweit relevanten Märkten in relevanten Indizes sind, was bedeutet: nur auf grosskapitalisierte Megaplayer. Es gibt zwei Gründe für dieses erste Kriterium: Erstens schafft das indexnahe Performance, und es ist selbst für erfahrene Investoren keineswegs trivial Indizes zu übertreffen, zumal nicht langfristig. Umgekehrt gesagt: Es ist fast sicher, dass ein Einsteiger auf die Nase fällt, wenn er schwergewichtig auf Nebenwerte, kuriose Titel, Hot-Stocks und hochspekulatives Zeuch setzt. Es geht mit einer Wahrscheinlichkeit von klar über 50 Prozent in die Hosen. Und dann? Dann gibt es einen mehr, der kräht, Börse sei Teufelswerk. Muss gar nicht sein.
2) Es ist entgegen aller höchst bezahlten Analysten nicht so wichtig, welche von diesen Playern gekauft werden (Vorbehalt aber Punkt 3). Ich weiss, damit trete ich ganzen Horden von überaus gut bezahlten Leuten auf den Schlips, aber die Empirie ist auf meiner Seite. Man werfe (z. B.) alle 30 Titel des DJ in einen Korb und ziehe zum Beispiel 3 oder 4 zufällig blind heraus und verfolge, wie sehr deren Performance dann über 5 Jahre oder länger von der der 3 oder 4 von den Analysten bestempfohlenen Titel abweicht... Es wird oft ganz ernüchternd für die Gilde der Analysten. Das Experiment geht aber mit einer hohen Wahrscheinlichkeit gewaltig schief, und zwar zulasten des Zufallsexperiments, wenn man statt aus dem DJ-Korb aus einem Korb aller an einer Börse gehandelten Titel zieht, wo auch Scherzartikel dabei sind!
3) Man diversifiziere. Das bedeutet zunächst eine Mindestzahl von Titeln. Ich empfehle mindestens 10. Zu viele gute kann man übrigens nicht haben (das ist mehr ein theoretisches Problem). Es bedeutet aber auch eine Diversifizierung auf den Märkten. Ich empfehle bei 10 Titeln (wie gesagt das Minimum für ein sinnvolles Portfolio IMHO) etwa Folgendes: 1 oder 2 Heimmarkt (ich beschränke die Heimmärkte im Sinne dieses Posts angesichts der Leserschaft aber explizit auf die deutschsprachige Welt "DACH"), 5 USA, 3 übriges Europa ohne Heimmarkt, 0 oder 1 Rest der Welt (Vorzug: Kanada; auch möglich: Asien oder Australien; ist etwas mühsamer zu handeln für einen Einsteiger). Weiter empfehle ich eine Diversifizierung auf mindestens 3, besser aber 4 Branchen, also nicht z. B. 10 IT-Werte (2 oder 3 aber sicher). Warum übrigens 1 oder 2 Heimmarkt? Das wäre finanztheoretisch nämlich entbehrlich. Einfach weil Einsteiger (und Anleger überhaupt) Menschen sind, und weil Aktien kaufen heisst: Anteile von Unternehmen kaufen, wo wiederum Menschen arbeiten. Es ist richtig, den berühmten emotionalen Fehlern der Anleger entgegenzuwirken (hier "Homebias"), aber es ist beim Investieren in Einzeltitel falsch, so zu tun, als kaufe man nichts Reales. Auch noch zu erwähnen: Wer eine bestimmte Branche aus weltanschaulichen Gründen ablehnt (Beispiel: Ölfirmen), soll solche Aktien einfach nicht kaufen. Es tönt logisch, stimmt aber trotzdem.
4) Börse zieht auch Spielernaturen (oder abwertend-altmodisch: Spekulanten; neumodisch: Zocker) an. Das sind keine bösen Menschen, nur ist das, was sie tun, sehr gefährlich, und zwar nicht etwa für die Welt, sondern nur, aber genau, für ihr Vermögen. Indes sind wir keine Maschinen. Wer "zocken" will, kaufe sich noch 1 Zockerwert (auf 10 ernsthafte), zum Beispiel einen aus der Hot-Stocks-Liste der geschätzten Plattform hier. Die Zockerpositionen sind total auf 5% des Portfolios beschränkt. Sie dürfen nur erhöht werden, nachdem der Wert der seriösen Positionen proportional erhöht wurde.
Ich bin gespannt, ob es aufs Post Reaktionen gibt!
Lg X.