(26.09.2019, 10:56)Ventura schrieb: Hi Don,
schade, wurde gerade interessant.
Wo liegt für Dich persönlich die Grenze bezüglich Verschuldung.
Machst Du das auch abhängig von der Branche?
In der Luftfahrt z.B. gibt es oft hoch verschuldete Unternehmen, aber z.T. mit hohem FCF.
Mich interessiert das Gesamtbild!
Also Geschäftsmodell, Zukunftsaussichten, Bilanzbild, etc.
Gerade die Luftfahrt ist hier sehr interessant. Habe die Lufthansa sehr intensiv zerpflückt. Hier wird häufig die Verschuldung von Lufthansa und die niedrige Rentabilität angeprangert. Ryanair bspw. weist jeden siebten Euro des Umsatzes als Gewinn aus. Aber irgendwo muss das ja her kommen. Wenn man dann die latenten Botschaften der anderen Fluggesellschaften hört, fragt man sich: Wie sicher sind die Ryanair-Flugzeuge? Dann müssen ja inzwischen Flugausfälle erstatt werden. Das macht Ryanair nicht und legt es hier auf Klagen der zu Entschädigenden an, was ja leider inzwischen in vielen Branchen die Runde macht. Vodafone oder der Bezahl-Sender Sky fallen mir da noch spontan ein, die solches Geschäftsgebaren offenbaren. Irgendwann geraten solche Unternehmen aber ins Visier der Justiz und dann haben die plötzlich immense Probleme.
Aber zurück zur Lufthansa: Die Lufthansa wird ihre Verschuldung so schnell nicht abbauen. Die Lufthansa hat in den letzten Jahren ihre Flotte enorm aufgestockt und verjüngt - sprich man investiert. Und hier liegt der Fokus ganz klar als Trendsetter auf Verdrängungswettbewerb, um auf Dauer höhere Preise durchsetzen zu können.
Die Fluggesellschaften, die alte Maschinen im Bestand haben und zudem eine hohe Verschuldung, können nicht mehr investieren. Das sind die Pleitekandidaten von morgen. Also würde ich immer darauf achten: Kann ein Unternehmen sein Geschäftsmodell auf Dauer aufrecht erhalten?
Um nochmals auf Lufthansa (LHA) zurück zu kommen. Wenn du Dir den aktuellen GB für 2018 der Lufthansa ansiehst, wirst Du feststellen, dass das Durchschnittsalter aller Maschinen gestiegen ist. Ich hatte aber gerade darüber gesprochen, dass LHA seine Flotte verjüngt. Bedingung bei dem Air Berlin Deal war, dass LHA 77 Maschinen der Air Berlin übernimmt. Die waren alle hoffnungslos veraltet und drücken das Durchschnittsalter der 700 Maschinen im LHA-Konzern erheblich. Air Berlin war also so ein Fall "Womit fliegen wir denn in zwei Jahren, wenn nur noch 80% der Flotte einsatzbereit sind?"
Beispiel LEONI AG. Hier wird von Managementfehlern gesprochen, was ich so nicht ganz sehe. Die Verschuldung von LEONI AG war vor zwei Jahren verhältnismäßig gering. Inzwischen ist der Ertrag aber komplett zusammen gebrochen. Dazu kommt, dass kein Mensch weiß, wie die Automobilbranche in ein oder zwei Jahren aussieht - geschweige denn in fünf Jahren. Um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten, benötigt LEONI aber Liquidität. Hohe Anschlussfinanzierungen mit Laufzeiten von zwei bis fünf Jahren stehen an, die die Kreditgeber ungern finanzieren möchten. Daher hat das Unternehmen inzwischen ein existenzbedrohendes Problem. Die Verschuldung ist im Moment bei LEONI immer noch nicht zu hoch. Sie haben aber eine Kreditklemme, da sie aufgrund der enormen Marktrisiken, die die Kreditgeber sehen, keine neuen Darlehen und Kredite erhalten. Jetzt müssen sie umstrukturieren und wie viel Kapital hierfür noch benötigt wird, lässt sich aktuell nicht seriös beantworten. Daher hat der Kredit-Pool dort auch einen Sanierer eingesetzt. Auf dauer meine ich, kommen die nicht an einem Investor vorbei. Doch auch hier scheinen potenzielle Investoren wohl eher in der Lauerstellung zu verharren, anstatt sich im Moment ernsthaft hier sofort engagieren zu wollen. Aber wer kauft auch schon gerne die Katze im Sack?
Daher kannst du nie von einer bestimmten Marke "meiner persönlichen Verschuldungsgrenze bei Unternehemen" sprechen.
Es gibt viele Wachstumsunternehmen, die haben Schulden bis übers Dach. Häufig sind das Darlehen von Investoren mit diversen Konstrukten - so tief will ich aber hier nicht in die Materie gehen, denn das würde den Rahmen sprengen. Wenn die Konzepte dieser Unternehmen aber laufen, dann sind diese Unternehmen hochinteressant. Denk nur einmal an die unzähligen Fin-Techs.