RE: boersenkater´s Trading-Pausen-Thread
| 20.03.2020, 23:35 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 20.03.2020, 23:47 von boersenkater.)(20.03.2020, 17:56)Banker schrieb: Wie das Ganze dann an der Börse aussieht, vermag ich noch gar nicht zu beurteilen. Gut möglich, dass sich die Börsen an der unglaublich hohen Liquiditätsflut der Notenbanken in diesem Jahr erheblich (!) von der Realwirtschaft abkoppeln. Ob das dann mittel- bis langfristig gut ist, oder ob sich durch das auseinander driften von Börsen (steigend durch niedrige Zinsen, massiver Liquidität und Anlagenotstand) und Wirtschaft (stagnierend durch Kreditbelastung und Strukturveränderungen) andere, ganz neue Risiken ergeben, werden wir sehen.
Ich kann vieles nicht beurteilen oder einschätzen. Mich interessieren normalerweise immer nur die nächsten paar Minuten.
In den letzten Tagen hatte ich auch vermehrt Anrufe von Leuten die einen Tipp von mir wollten wo sie jetzt investieren sollen.
Wegen den Notenbanken muss es ja wieder hoch gehen. War ja bei der Finanzkrise auch so. Die Leute haben immer noch
nicht verstanden das ich nix mit Aktien mache sondern Futures. Schon zig mal erklärt, aber trotzdem fragen sie mich wie
die Aktiengeschäfte laufen. Sage dann immer nur das ich keinen Tipp geben kann weil ich die Zukunft nicht kenne.
Auch wenn ich einen hätte würde ich den nicht geben, weil die Leute das dann blind kaufen würden, keiner hat Lust und Zeit
sich länger als 5 Minuten damit zu beschäftigen. Von daher sage ich am Schluss immer - geh zu Deinem Bankberater und
investiere in gute Aktienfonds. Union Investment oder DWS. Da kann man nicht viel falsch machen und muss sich um nichts
kümmern wozu man sowieso keine Zeit, kein Interesse und keine Lust hat. Aber in der aktuellen Lage würde ich gar nichts
machen bis mal alles klarer wird.
Was ich mich aktuell aber frage - wieso denken alle es würde wie bei der Finanzkrise ablaufen? Damals haben sich die Banken
verzockt, die Wirtschaft lief weiter. Die Banken hatten ein Liquiditätsproblem - untereinander und bei der Kreditvergabe.
Geld ist das Schmiermittel der Wirtschaft. Material, Maschinen, etc. pp müssen gekauft werden, Mitarbeiter müssen bezahlt
werden. Es muss teilweise erst viel investiert werden bevor es Umsatz, Einnahmen, Gewinne gibt. Damals haben die Zentralbanken
die Banken mit viel Geld gerettet damit die Wirtschaft weiter laufen kann. Und danach weiter mit Geld versorgt.
Die Banken konnten ihre Schrottpapiere teilweise loswerden, Kredite vergeben, in die Aktienmärkte investieren.
Das jetzt ist doch etwas vollkommen anderes oder nicht? Die Weltwirtschaft lief die letzten Jahre wie ein voller Öltanker der
mit Vollgas über das Meer fährt. Jetzt hat dieser Tanker eine Vollbremsung gemacht. Es gibt kein Bankenproblem wie damals.
OK, das kann auch noch kommen. Aber grundsätzlich ist die Weltwirtschaft voll abgebremst worden.
Jetzt gibt es Rettungspakete für Unternehmen. Große, kleine, kleinste. Damit diese ein paar Monate überbrücken können.
Damit es keine Masseninsolvenzen, keine Massenentlassungen, keine Massenarbeitslosigkeit gibt. Frage ist wie lange muss
überbrückt werden? Und dann - wenn die Corona-Krise beendet ist - dann muss der Tanker erst wieder auf Fahrt gebracht
werden. Das geht nicht von jetzt auf gleich auf Vollgas. Es wird auch trotz dieser Rettungspakete, wenn auch weniger als ohne,
Insolvenzen geben. Menschen, wenn auch weniger, werden arbeitslos werden. Kreditverpflichtungen werden trotzdem
teilweise nicht gezahlt werden können.
Die Rettungspakete sind genau dafür gedacht das abzufedern und zu überbrücken. Damit es nicht zum totalen Kollaps kommt.
Die Rettungspakete sind Ersatz für Umsätze und Einnahmen die verloren sind. Die Rettungspakete können das aber nur für eine
gewisse Zeit lang tun. Und je länger und je mehr neues Geld durch die Rettungspakete in die Wirtschaft fließen muss,
desto gravierendere langfristige Folgen wird es haben.
Wieso kommen die Leute jetzt auf die Idee, das das die Märkte wieder nach oben treibt? Dieses Geld fließt nicht in die Märkte.
Es ist keine zusätzliche Liquidität es ist Ersatz für sonst vorhanden aber aktuell verlorene Liquidität.
Es rettet Unternehmen damit diese ihre Rechnungen und Mitarbeiter bezahlen können. Damit die Menschen ihre Rechnungen,
Mieten, Kreditverpflichtungen, Lebensmittel bezahlen können. Das ist doch was vollkommen anderes als damals in der Finanzkrise
oder nicht? Also wieso denken so viele das dieses Geld in die Märkte fließt und die Kurse nach oben treibt?
Das Geld soll die (Welt)wirtschaft, Unternehmen, Arbeitnehmer retten. Es ist nicht dafür gedacht die Aktienkurse nach oben zu
treiben, Dividenden zu sichern oder zu erhöhen und irgendjemanden reich zu machen. Das Geld was über die Rettungspakete
in die Wirtschaft gepumpt wird ist nur der Ersatz für die durch die Corona-Vollbremsung nicht generierten Umsätze, Einnahmen,
Gewinne mit denen sonst die Kreditverpflichtungen, Mieten, Löhne gezahlt werden.
Es geht schlicht und ergreifend darum damit wir keine Weltwirtschaftskrise wie 1923 erleben müssen.
Der Tanker muss dann erstmal wieder Fahrt aufnehmen - wann das sein wird, wie und mit welcher Dynamik das sein wird ist doch stand
heute noch vollkommen unklar. Also wieso sollen die Rettungspakete irgendeine positive Wirkung auf die Aktienkurse haben?
Außer das der Abwärtsdruck vielleicht etwas abnimmt?
OK, schon klar - die Börsen nehmen die Zukunft vorweg. Aber doch auch nur wenn aufgrund der Analyse von Zahlen, Konjunkturdaten,
Aussichten der Unternehmen ein Stück weit in die Zukunft geschaut werden kann. Das ist doch aktuell überhaupt nicht möglich.
Das ist ein dunkles schwarzes Loch.
Erst wenn Corona vorbei ist, oder zumindest einigermassen unter Kontrolle ist, erst wenn die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt,
erst wenn zu sehen ist welche Schäden dieser Tornado hinterlassen hat - bei Unternehmen, Arbeitnehmern, Staaten, Volkswirtschaften,
erst dann kann eine aktuelle Bewertung der aktuellen Kurse und für das Potenzial der Zukunft gemacht werden.
Die große Frage ist wann das sein wird - in ein paar Wochen? Monaten? In einem halben Jahr oder in einem Jahr?
Dann kann es immer noch Korrekturen nach unten geben weil die Zukunftsaussichten schlechter sind als die aktuellen
Aktienkurse dies anzeigen. Es kann auch wieder nach oben gehen oder zumindest seitwärts, wenn die Zukunftsaussichten
klarer und besser sind und die Aktienkurse wieder die Zukunft vorwegnehmen. Aber aktuell ist doch die Zukunft vollkommen unklar.
Wieso sollen die Rettungspakete daran irgendwas ändern? Dieses Geld fließt in die Wirtschaft, zu Unternehmen und Arbeitnehmern.
Mit der Hoffnung das der Motor nicht total abgwürgt wird. Es fließt nicht in die Aktienmärkte - oder habe ich da irgendwas falsch verstanden?
Ich frage das wirklich ganz ernsthaft weil ich diese Gedanken nicht nachvollziehen kann. Ich frage das aus dem Blickwinkel von
jemandem den es normalerweise immer nur interessiert was in den nächsten paar Minuten passiert.
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