RE: Ich bin NEU hier - User stellen sich vor
| 23.08.2020, 00:52 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23.08.2020, 09:44 von Speculatius.)(22.08.2020, 21:43)Vahana schrieb: Dein Text flasht mich komplett.
Musste ein paar Mal lachen, aber das (End-)Ergebnis ist ja einigermaßen "ernüchternd".
Ja, in der Tat, das ist ernüchternd, insbesondere wenn ich mir mal überlege, mit welchen Vorsätzen ich als junger Mensch und begeisterter Kostolany-Leser an die Sache rangegangen bin. Ich meinte damals, mit gründlicher Analyse von Unternehmen und künftigen Marktentwicklungen in der Lage zu sein, mir die "richtigen Aktien" raussuchen zu können, mit denen ich später dann reich werden sollte. Wie haben sich die Zeiten doch geändert.
Ich gebe ein eindrucksvolles Beispiel aus meiner frühen Börsengeschichte:
Ich damals, Anfang 20, Student im vierten Semester und mein erstes "großes Geld" im großen Bullmarkt von 1983 bis Mitte 1986 nicht zuletzt auch mit long Calls verdient, wollte nun etwas konservativer rangehen und verstärkt in Aktien direkt investieren und nicht mehr in Derivaten. Rausgesucht hatte ich mir Mitte 1986 die Mannesmann, zu dieser Zeit ein Röhren- und Stahlhersteller, der aber schon kräftig in Maschinen- und Analgenbau diversifiziert hatte und weiter in Technologie investierte. Das Unternehmenskonzept überzeugte mich grundsätzlich, das KGV von deutlich unter 10 sowieso, und der Aktienkurs war von seinem Hoch - ich glaube so um die 330 D-Mark - schon deutlich zurückgekommen. Bei 230 D-Mark habe ich dann zugeschlagen.
Doch die Aktie fiel weiter. 220...210...200. Nach dem alten Anleger-Grundsatz "If you are in trouble - double" kaufte ich bei 200 eine zweite Tranche nach. Die Aktie - von kurzen Zwischenrallyes abgesehen - fiel weiter, ohne einen für mich erkennbaren Grund. Bei 190 kaufte ich dann eine dritte Tranche. Ich hatte jetzt schon annähernd die Hälfte meines damaligen Vermögens von 150.000 Mark (alles seinerzeit an der Börse verdient) reingesteckt. Die Aktie fiel weiter. 180....170.....und dann sagte ich mir: "Ach weisste, andere Mütter haben schönere Töchter, das tue ich mir nicht länger an" und bin raus. Das war wohlgemerkt alles noch vor dem legendären großen Crash 1987, in dessen Rahmen die Mannesmann dann auch abstürzte, nicht so stark wie andere Papiere, denn dazu hatte sie vorher schon zu viel verloren, aber dennoch war ich froh, das Zeug los zu sein.
Wie die Geschichte mit Mannesmann weiterging? Zwei Jahre später wurde der deutsche Mobilfunkmarkt liberalisiert. Neben dem von der Telekom betriebenen D1-GSM-Netz wurde eine zweite Lizenz für einen privaten Anbieter ausgeschrieben. Mehrere Firmenkonsortien hatten sich um die so genannte "Lizenz zum Gelddrucken" beworben. Den Zuschlag erhielt das Konsortium von ......... Mannesmann. Kurzzeitig überlegte ich mir, ob ich nochmal kaufen sollte, doch der Aktienkurs war schon ordentlich in die Höhe geschossen, und ob das wirklich wie damals in der Presse verbreitet die Lizenz zum Gelddrucken sein würde....der Wettbewerb begann ja erst, und drei Jahre später kam auch noch E-plus dazu....also ich hab's gelassen. Rund zehn Jahre später kam dann der richtig große Geldsegen für Mannesmann-Aktionäre durch die seinerzeit teuerste Übernahme der Welt durch Vodafone.
Ich hab's im Nachhinein mal ausgerechnet: hätte ich meine Investition eisern nach der Kostolany-Methode durchgehalten - Aktien kaufen und danach Schlaftablette aus der Apotheke und erst nach 10 Jahren zur Vodafone-Übernahme wieder aufwachen - wäre ich nur allein mit meinen Mannesmann-Aktien Millionär gewesen.
Also lieber Speculatius - was hatte uns Kostolany noch gleich mit auf den Weg gegeben? Zum Gewinnen braucht man vier G's: Geld, Gedanken, Geduld und Glück. Wo war hier Ihr drittes G - die Geduld??? Einfach mal das Ding aussitzen und fertig.
Doch sind wir mal ganz ehrlich: ich hätte im Jahre 1986 nicht unbedingt "wissen", aber doch zumindest halbwegs ahnen müssen, daß
1. der deutsche Mobilfunkmarkt liberalisiert wird,
2. die Mobilfunklizenz der bis dato Maschinen- und Anlagenbauer Mannesmann erhält und kein anderes vielleicht technologisch qualifizierteres Konsortium,
3. es in den Folgejahren einen Run auf alle Aktien geben würde, die irgendwas mit Mobilfunktechnik zu tun haben,
4. am Ende ein Käufer aus dem Ausland kommt, der ein völlig wahnsinniges Übernahmeangebot macht.
Das ist aus meiner Sicht der Prophetie dann doch etwas zu viel - zumindest ich bin trotz mancher Vision in zukünftige Technologien nicht in der Lage, sowas zu bringen. Das vierte Kostolany-G mit dem Glück scheint mir hier die weitaus bedeutendere Rolle zu spielen.
Und so kommt es, daß ich mir beizeiten das Langfrist-Investment auf Einzeltitel abgewöhnt habe. Nicht auf den Index - denn daß Aktien die beste von allen Assetklassen sind, davon bin ich damals wie heute unverändert überzeugt und bleibe es so lange, wie die Weltwirtschaft wächst. Und das wird sie noch eine ganze Weile tun.