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Wir haben schon seit ca. einem Jahrzehnt keinen Bärenmarkt an den Börsen gesehen. Zum Beispiel am US-Markt, abgebildet durch den S&P500. Viele Investoren versuchen, einen Bärenmarkt zu antizipieren. Sei es, um rechtzeitig auszusteigen. Oder um den Markt rechtzeitig zu shorten. Oder abzuwarten um bei einem anschließenden Turn-Around wieder rechtzeitig einzusteigen.
Wie man einen Bärenmarkt rechtzeitig (!) erkennt, das beschäftigt Trader schon ewig. Gemeinhin gilt ein Markt in einem Bärenmarkt befindlich, wenn er von seinem Peak mehr als 20% gefallen ist. Ohne jetzt zu stark auf das allgemein darüber stehende Thema "Markettiming" und den Sinn und Unsinn davon einzugehen, will ich mal ein paar offensichtliche Indikatoren und Charts für einen Bärenmarkt aufzeigen, auf den bisher die großen Institutionellen geachtet haben. Hier meine vier Anzeichen für einen Bärenmarkt. Feel free to contribute.
Vier Anzeichen für einen Bärenmarkt
1. Zinsstrukturkurve
Viel beachtet insbesondere im US-amerikanischen Bereich ist der Spread zwischen langfristigen und kurzfristigen US-Staatsanleihen. Dabei wird vor allem auf den Spread zwischen 10-jährigen und 2-jährigen US-Treasuries geachtet.
Wenn der Spread zwischen diesen beiden Anleihetypen kontinuierlich steigt ist es in der Regel ein Zeichen dafür, dass Investoren davon ausgehen, dass die Wirtschaft gesund ist und kontinuierlich wächst. Langfristig muss der Staat dann mehr Zinsen zahlen, als kurzfristig. Das gilt als eine gesunde Form der Zinsstrukturkurve.
Bisher als potenziell gefährlich stellt sich die Situation dar, wenn der Spread negativ wird. Wenn also kurzfristige Zinsen höher sind als langfristige. Man spricht dann auch von einer inversen Zinsstrukturkurve. Das heißt in der Regel, dass Investoren extrem besorgt sind über die Zukunftsaussichten der Wirtschaft.
Wir haben in der jüngeren Vergangenheit zwei mal signifikante inverse Zinsstrukturkurven in den USA gesehen. 2006/2007, vor der Rezession, dem Bärenmarkt und der Finanzkrise in 2008. Sowie 2000 kurz vor dem Platzen der Techblase und dem Bärenmarkt 2000 - 2003.
Aktuell sehen wir seit 2014 eine kontinuierlich fallende Zinsstrukturkurve. Wir befinden uns mit dem Spread zwischen 10-jährigen und 2-jährigen US-Treasuries kurz vor der Nulllinie und damit kurz vor einer inversen Zinsstrukturkurve. Ist es die Aussagekraft dieses Mal eine andere? Möglicherweise. Kritiker des Zinsstrukturkurve-Ansatzes sagen, dass durch die noch nie in dagewesene lockere Geldpolitik der Notenbanken die langfristigen Zinsen auf lange Zeit zerstört wurden und sprechen dem 10-2-Spread die Aussagekraft ab.
2. Sentiment der Investoren
Die American Association of Individual Investors veröffentlicht wöchentlich ihre Sentiment-Analyse, die die Stimmung der großen institutionellen Anleger wiedergeben soll. Häufig sind die veröffentlichten Zahlen relativ unspektakulär und im Großen und Ganzen lässt sich daraus nicht viel ablesen. Der entsprechende Langfristchart lässt auf den ersten Blick auch keinen wirklich eindeutigen Schluss zu.
In diesem Bildchen ist der AAII Survey Index ganz oben abgebildet. Wenn der AAII hoch ist, sind die Institutionellen optimistisch, ist er niedrig sind sie pessimistisch. Auffällig wenn man sich die Daten im Detail mal anschaut: Im Januar 2000 war der AAII auf dem höchsten jemals berichteten Stand. Die Dotcom-Blase war kurz vor ihrem Höhepunkt. Alles danach ist Wirtschaftsgeschichte.
Umgekehrter Fall funktioniert auch: Im März 2009 war der AAII auf einem niedrigsten jemals berichteten Stand. Danach folgte der vermutlich bis heute noch anhaltende längste Bullenmarkt der Geschichte.
Der AAII wird sehr häufig wenig aussagekräftige Ergebnisse für Investoren bieten. Man muss auf Extreme achten. Sind große Investoren zu optimistisch kann das ein Gefahrensignal sein.
3. M&A Aktivitäten
Wenn die Wirtschaftslage von Unternehmen gut ist und sie viel Kapital zur Verfügung haben, sie aber das Kapital nicht mehr in den Ausbau ihrer Wirtschaftskraft investieren können, verwenden sie das Kapital in der Regel auf zwei Arten. Entweder kaufen sie eigene Aktien zurück, oder sie kaufen andere Unternehmen. Man kann im Prinzip auf beides achten, es ergibt eine ähnliche Aussagekraft.
Kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase waren die M&A-Aktivitäten auf dem höchsten Stand aller Zeiten. Und kurz vor dem Ausbrechen der weltweiten Finanzkrise waren die M&A-Aktivitäten ebenfalls auf einem äußerst hohen Stand. 2015 hatten wir auch einen krassen Peak, der aber offensichtlich folgenlos geblieben ist.
M&A-Aktivitäten zeigen also auf der einen Seite, dass Unternehmen kein Potenzial mehr für organisches Wachstum sehen und sie auf der anderen Seite extrem optimistisch in die Zukunft schauen, dass sie sich zu teils riskanten oder riesigen Transaktionen verleiten lassen. Zu großer Optimismus kann auch hier ein Kontraindikator sein.
4. Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe
Bärenmärkte kommen in der Regel mit Rezessionen einher. Vor den beiden letzten großen Bärenmärkten befanden sich die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe (im englischen: jobless claims) auf einem relativen Tief und stiegen kurz vor Ausbruch des Bärenmarktes signifikant an. Steigende jobless claims bedeuten in der Regel nichts gutes für den Arbeitsmarkt.
Höhere Arbeitslosenzahlen deuten auf eine schlechtere Wirtschaftslage der Unternehmen hin. Steigende Arbeitslosenraten bedeuten auch, dass die Privatausgaben sinken. Das wiederum hemmt die Nachfrage und hinterlässt Spuren in den Bilanzen der Unternehmen.
Fazit
Natürlich kann keiner der hier von mir vorgestellten Charts bzw. Indikatoren eine genaue Prophezeiung über den nächsten Bärenmarkt treffen. Weder ob noch wann. Aber man kann an meinen vier Beispielen in meinen Augen eindrucksvoll sehen, dass alle vier Indikatoren zusammen in Extremsituationen sehr eindeutig den aufkommenden Sturm prognostiziert haben.
Man sieht: Fundamentale Daten sind relevant und können einen Eindruck vom Zustand der Wirtschaft und des Marktes geben.
Ich freue mich auf eure Anmerkungen und Ergänzungen.
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