(26.10.2022, 09:54)fahri schrieb: "Glaubenskrieg" - sorry, das ist alles an dem vorbei um das es mir geht:
Ich bitte die Anführungszeichen zu beachten.
Die Idee dahinter ist übrigens nicht völlig falsch.
Man kann diesen Konflikt natürlich als einen Kampf zwischen Demokratie (NATO, Westen, Ukraine) und Autoritarismus (die anderen...) interpretieren und in gewisser Weise gibt es Hinweise darauf, dass man das auf russischer Seite ähnlich sehen könnte, das man sich dort im Kampf sieht mit den "globalen westlichen System".
Was allerdings auffällt, ist, dass Putin fast konstant jedes "Narrativ" bedient, welches in der anti-westlichen Opposition irgendwie ankommt. Gegenüber dem Westlern allgemeint verweist man auf traditionelle Werte, Christentum usw., gegenüber einigen linken auf den Widerstand gegen die globale Ordnung und gegenüber der 3. Welt auf den antikolonialistische Kampf Russlands gegen die ehemaligen Kolonialmächte.
Es scheint, dass die russische Regierung sich in ihren Bemühen schon ziemlich genau die Zielgruppen auswählt, bei denen sie Propagandaerfolge erwartet.
Wie weit das gesagte dann der Überzeugung entspricht, ist eine andere Frage.
Es gibt aber durchaus Dinge, die man so interpretieren könnte, dass die russische Führung ein grundsätzliches Problem mit vielen der westlichen Werte haben könnte. Nicht nur der Umsetzung oder der Formulierung.
Vielleicht will man aber mit dieser Propaganda nur das politisch eher "konservative" Milieu im Westen ansprechen.
fahri schrieb:Das gilt für die Ukraine eben genauso wie am Ende des Tages auch für uns.
Und wenn dieses Recht in der Ukraine verletzt wird, dann ist es natürlich indirekt auch bei dir verletzt.
Womit wir uns dann direkt in den Systemkonflikt begeben haben. Und in dem Augenblick kommen dann die Argumente über die vielen Verstöße des Westens usw.
Dass der Westen vergleichsweise das kleinere Übel ist, dem würde ich mich direkt anschließen.
fahri schrieb:So, nun habe ich Allen die mir Pipi Langstrumpfismus oder Konjunktiviererei unterstellen
wieder jede Menge Futter gegeben
Ich persönlich sehe mich jetzt nicht in der Gruppe.
(26.10.2022, 10:02)Kai_Eric schrieb: Hier prallen zwei völlig verschiedene Sichtweisen aufeinander für die es nur wenig Überlappung gibt.
Die "realistische Schule der internationalen Beziehungen", auf die sich Russland und viele seiner "Interessenvertreter" so gerne beziehen, ist aber ebenfalls im Westen vertreten. Es gibt Professoren, Publizisten und dergleichen mehr, die diese Sichtweise vertreten.
Kai_Eric schrieb:Putin kommt offensichtlich nicht durch mit dem Versuch, deine Sichtweise in die Tat umzusetzen
Das kann man verschieden interpretieren.
Heißt das Versagen Russlands, dass die Sichtweise falsch ist oder liegt es einfach daran, dass Russland de facto keine Supermacht mehr ist und deshalb keine "Pufferzone" um sich aufrecht erhalten kann?
Wenn man unterstellt, dass die Verantwortlichen in Russland genau diese Überlegung zu Grunde legen, dann erscheint es erwartbar, dass sie diesen Krieg nicht verlieren können. Russlands Status als "Supermacht" wäre damit hinfällig.
Natürlich immer vorausgesetzt, man stimmt der Analyse von den gern zitierten Experten überhaupt zu und sieht die Ukraine als entscheidend und nicht z. B. Unabhängigkeit gegenüber China.
Tja, die Welt ist kein Schachbrett, aber wenn man ein Modell der Welt als Schwachbrett machen will, braucht man wohl mindestens 4D-Schach.
(26.10.2022, 10:18)fahri schrieb: By the way - warum ist ein Buch eine Quelle ?
Du hast grundsätzlich recht, dass ein Buch nur die Meinung des Autors widerspiegelt. Das ist aber auch bei wissenschaftlichen Fachaufsätzen zunächst so.
Der unbestreitbare Vorteil eines Buches ist aber die Identifizierbarkeit. So eine Webseite oder ein Youtube-Video ist in 5 Jahren vielleicht weg, das Buch wird irgendwo im Archiv existieren.
(26.10.2022, 12:50)jf2 schrieb: Du meinst heute würden die Amerikaner nicht mit dem atomaren Erstschlag drohen?
Ich meine, dass die Situation sich grundsätzlich unterscheidet.
Die Analogie passt nicht mehr.