Eieieiei.... was soll man da sagen?
Zu manchen Aussagen gegen das Daytrading könnte ich jeweils ein paar hundert Zeilen schreiben was daran "falsch" ist.
Ich versuchs mal kürzer...
Daytrading funktioniert nicht - für die meisten stimmt das. Warum? Nun einfach weil das (langfristige) Anlegen/Investieren inkl.
Swingtrading / langfrstige Trading über mehrere Tage/Wochen/Monate etwas vollkommen anderes ist als Daytrading.
Es gibt meiner Meinung nach kein besser/schlechter. Was ist besser? Ein 38-Tonner-LKW? Ein Mercedes-Sprinter? Ein Taxi? Ein Formel-1-Bolide?
Nehmen wir das langfristige Anlegen - wie macht man das? Auch hier gibt es viele Wege die nach Rom führen.
Genauso wie es auch viele Ziele gibt. Der eine will langfristig eine gute Performance. Der andere ist auf Dividenden aus.
Herangehensweise? Unterschiedlich...
Bilanzen lesen, Unternehmen rein zahlentechnisch bewerten.
Langfristige Chartanalyse (Monats-/Wochen-/Tages-Charts) mit den entsprechenden Werkzeugen
(z.B. Trendlinien/-kanäle ("the trend is your friend"), Formationen, Indikatoren, etc. pp.)
Diversifikation um den Faktor Glück und Zufall ins Boot zu holen und den Faktor Pech zu begrenzen.
Gesunder Menschenverstand -> Kaufe was Du verstehst. Setze auf die Gewinner, die Stärksten, diejenigen die Hervorstechen.
(dann erwischt man auch eine Amazon, Google, Netflix, Microsoft, Facebook,....)
Konjunktur-/Wirtschaftsnachrichten verfolgen, analysieren, bewerten.
usw. usf. etc. pp.
Und dann braucht es nur noch Sitzfleisch. Schlaflose Nächte? Schweißausbrüche? Panikattacken? Nein - es muss
einem am Arsch vorbeigehen wenn es nicht nur nach oben geht - bei einzelnen Aktien oder beim gesamten Depot.
Der eine lässt es dann einfach laufen und kauft höchstens noch dazu um Altpositionen zu erhöhen oder neue Positionen ins
Depot zu holen. Der andere managed sein Depot auf aktivere Weise - kann dabei dann aber auf langfristige Sicht auch Werte
viel zu früh rauskicken die ein paar Jahre oder Jahrzehnte später zigfach höher stehen. Oder er kickt die raus die später eine
Depotleiche geworden wären. Können, Glück, Pech, Zufall. Alles dabei.
Hört sich super chillig und unstressig an!
Witzig ist eigentlich das die vielen "Langfrister" sich wie Gott fühlen weil sie in den letzten Jahren eine super Performance
hatten. Können? Glück? Naja. Wenn alles rauf geht dann geht eben alles rauf. Mit ein bisschen Glück und Geschick hat jeder
seinen Schnitt gemacht. Dank der Zentralbanken die die Märkte seit Lehman mit Geld überflutet haben. Können? Glück?
Oder nur auf der Welle mitgeritten? Muss jeder selber beantworten. Mit Sicherheit haben hier einige beim Corona-Downmove
Blut und Wasser geschwitzt. Diejenigen die schon länger dabei waren und entsprechende Buchgewinn-Polster hatten sicher
weniger als diejenigen die kurz vorher eingestiegen sind. Mit Sicherheit haben hier auch einige in Panik den Verkaufsbutton
gedrückt und die eine oder andere langfristige Investition rausgekickt. Dann kamen die weißen Ritter und haben noch mehr
Geld in die Märkte gepumpt und schon hat sich das überlegene Hochgefühl wieder eingestellt und die x-te Wiederholung der
Platte vom tollen langfristigen Anlegen läuft weiter. Was wäre wenn die Märkte ohne die viel gescholtenen Politiker und
Zentralbanken immer noch da unten oder noch tiefer wären?
Aber gut - darum geht es nicht. Am Ende zählt nur das Ergebnis. Aber dummer Daytrader und erfolgreicher superintelligenter
Langfristanleger? Naja. Kann jeder denken was er will.
Gut. Nun zum Daytrading.
Funktioniert nicht? Stimmt. Die meisten werden damit keinen Erfolg haben. Warum?
Weil es für den Daytrading-Einzelkämpfer nur ein Werkzeug gibt mit dem man dauerhaft erfolgreich arbeiten kann.
Klar man kann natürlich auch Nachrichten handeln und dabei mit Glück und Zufall gute Trades erwischen.
Oder man nimmt Börsenbriefe /-magazine. Oder man sucht sich die stärksten Aktien des Tages und reitet mit der
Welle. Aber bei all dem kann man auch zu spät kommen - dann ist man der Gewinnspender der anderen die ihre
Gewinne dann realisieren. Also bleiben am Ende nur die Charts. Zumindest war das bei mir so als ich vom erfolgreichen
Langfristanleger mit einem kleinen Umweg über das Swingtrading zum Daytrading gekommen bin.
Der eine oder andere hat schon Daytrading mehr oder weniger verlustreich praktiziert und wieder aufgehört (aufgegeben)?
Absolut nachvollziehbar. Ging mir nicht anders. Also zumindest das mit dem nicht funktionieren.
Der erste Fehler ist das man denkt die gleichen Werkzeuge (also bei der Chartanalyse) auf die gleiche Art und Weise verwenden
zu können wie man sie in der langfristigen Analyse einsetzt. Das funktioniert nicht. Volle Zustimmung. Mit viel Erfahrung und
sehr gutem Risiko-/Moneymanagement kann man damit mit viel Anstrengung und extremer psychischer Belastung schon einiger-
massen gut seine Brötchen verdienen. Aber auf Dauer ist das zu anstrengend. Vor allem wenn man immer und immer wieder
auch richtig auf die Fresse bekommt. War auch immer wieder kurz davor aufzugeben. Aber mich hat es einfach gepackt.
Der zweite Fehler ist das man denkt das man damit schneller als mit langfristigen Strategien erfolgreich ist. Das Gegenteil
ist der Fall. Daytrading zu lernen ist sehr viel zeitaufwendiger und erfordert viel mehr Aufwand als langfristige Strategien.
Habe mich extrem reingekniet und mit viel Leidenschaft, Hirnschmalz, Trial and Error Lösungen für die Probleme gefunden an
denen die meisten Daytrading-Anfänger gescheitert sind. Wie gesagt Daytrading funktioniert IMHO für den Einzelkämpfer
(also nicht für die Firmen die Lancelot immer wieder aufführt
) nur mit Chartanalyse. Aber eben nicht in der gleichen Art
und Weise wie sie für das langfristige Trading/Anlegen funktioniert. Es gibt tolle Bücher in denen tolle Trades gezeigt werden.
Im Nachhinein kann man auch immer alles reininterpretieren. Der Witz ist das diese Trades tatsächlich funktionieren wenn man
die entsprechende Situation in der richtigen Phase erkennt. Aber es gibt eben auch viele Situationen und Phasen in denen diese
Ansätze/Strategien eben auch nicht funktionieren. In diesen Büchern werden Momentaufnahmen gezeigt die nur ein Bruchteil
der Gesamtsituation zeigen. Die Gesamtsituation genauso wie die Momentsituation richtig zu analysieren und richtig zu erkennen
ist die Krux bei der Geschichte. Das richtig zu können dauert Jahre. Und ist der Grund warum die meisten scheitern.
"Daytrading ist zeitaufwendig"
Würde ich das Gegenteil behaupten. Ich trade in der Regel 1-3 Stunden am Tag. Wobei ich überwiegemd immer wieder nur
wenige Minuten drin bin und dann immer wieder nur ganz entspannt abwarte bis sich die nächste "Situation" entwickelt.
Da ist dann auch immer wieder Zeit um zwischendrin was anderes zu machen. Mit der Zeit hast Du einfach Erfahrungswerte
um zu wissen das die nächste halbe Stunde zu heiß ist oder "signaltechnisch" nichts geht. Mittagspause, Geisterstunde, was
auch immer.
Man muss nicht ständig auf die Monitore stieren. Ich liebe es einfach zu traden. Ich liebe es zu sehen wie sich Situationen
entwickeln und dann mit höchster Effizienz zuzuschlagen. Und ich liebe es zu sehen richtig zu handeln indem ich nicht handel.
Klar gibt es Tage in denen nichts geht oder auch Verluste eingefahren werden. Aber dafür gibt es auch Tage in denen ich schon
nach 30-40 Minuten mit einem 4-5stelligen Gewinn aufhören kann.
Der Knackpunkt ist - Daytrading selbst ist extrem wenig zeitaufwendig. Aber der Weg dahin ist richtig superheftig zeitaufwendig.
Zuerst hat es bei mir Jahre gedauert bis ich wusste was alles nicht funktioniert. Dann kamen die Ideen für Lösungen.
Es dauert dann seine Zeit bis die Ideen auch richtig greifbar werden und dann das Analyse-/Trading-Gerüst entsteht.
Das Trading wird währenddessen immer besser, aber ist immer noch viel zu anstrengend und kostet immer noch viel Blutgeld.
Dann kommt die Entwicklung von eigenen Werkzeugen und die ständige Anpassung des Gerüsts. Und so weiter und so fort.
Mehrere zehntausend Stunden Entwicklungsarbeit hat es bei mir gebraucht bis ich zufrieden war.
Aber es bleibt nie stehen. Es geht immer weiter. Es gibt immer wieder neue oder andere Phasen die immer wieder Grenzen
aufzeigen und Anpassungen, Weiterentwicklungen notwendig machen. Oder anders gesagt die immer wieder Impulse für die
nächste Evolutionsstufe liefern. Dann werden die Werkzeuge überarbeitet, neue kommen hinzu, werden ergänzt, neu kombiniert.
Das Trump´sche China-Theater. Corona-Rumgemetzel. Es gibt immer wieder Situationen und Phasen die für die notwendigen
Impulse sorgen und dazu führen das die Analyse- und Trading-Technik weiter verbessert werden. Bin gespannt ob das irgendwann
mal aufhört.
(07.07.2020, 21:14)Vahana schrieb: Ich glaube nicht das es jemals Langfristanleger gab, die auf Daytrading umgeschwenkt sind. Obwohl das lerntechnisch eigentlich der sinnvollere Weg wäre. Im Moment könnte mich keine denkbare Situation dazu bewegen wieder zu traden.
Denke ich mittlerweile das genaue Gegenteil. Für mich war dieser Schwenk am Anfang wie vom Himmel in die Hölle zu gehen.
Das was ich mir da in den letzten 20 Jahren zusammengebastelt habe könnte auch im Swingtrading-Bereich gut funktionieren.
Aber das ist eben auch so eine Sache. Wenn ich den Tag beende ist mir vollkommen piepschnurzegal was danach passiert.
Ich kann super schlafen und abschalten. Das war früher vollkommen anders. Aber das was ich beim Daytrading alles gelernt,
entdeckt, entwickelt habe, wäre als Langfristanleger nicht nötig gewesen. Ist wie bei der Fahrzeugindustrie - in der Formel-1
wird die Technik entwickelt die dann immer wieder auch in den PKWs landet.
Ich habe jetzt beim Corona-Downmove tatsächlich überlegt Infineon und Deutsche Bank zu kaufen. Jeweils 10.000 Euro.
Hätte mir jetzt nach ca. 4 Monaten 100% eingebracht. Aber ich habe es gelassen weil ich weiß wie ich bin. Ich hätte ständig geschaut wie sich die beiden entwickeln und hätte mich nicht auf mein Daytrading konzentrieren können.
Womit ich dann auch zum Schluss komme. Für mich gibt es kein besser oder schlechter Daytrading oder Langfrist-Trading/-Anlegen.
Jeder muss das finden was zu einem passt. Für mich ist Daytrading heute ein Traumjob. Aber der Weg war phasenweise die
absolute Hölle. Ich liebe das Daytraden. Ich bin froh das ich keine schlaflosen Nächte habe oder psychisch ständige Auf und Abs
habe je nachdem wie sich einzelne Aktien oder das Depot bewegen. Es ist richtig viel Arbeit gewesen, dafür habe ich heute keinen
Stress mehr.
Als Langfristanlager habe ich nur einen Bruchteil dessen dafür getan um erfolgreich zu werden. Im Nachhinein hatte ich "damals"
auch nur Glück in der richtigen Phase mit einem guten Riecher und glücklichen Händchen die richtigen Anlageentscheidungen
getroffen zu haben. Aber dafür hatte ich auch nie Ruhe im Kopf, Stimmungsschwankungen, schlaflose Nächte. Weniger Arbeit
aber mehr Stress. Alles hat Vor- und Nachteile. Jeder ist anders. Ich freue mich für die Langfristanleger wenn sie von ihren Erfolgen
berichten. Und empfinde dabei null Neid. Für mich ein Zeichen das ich für mich das Richtige mache.
Das einzige was ich mich Frage ob hier der eine oder andere wegen seinem Können mit Recht auf seinem hohen Ross sitzt oder
etwas mehr Bescheidenheit und Dankbarkeit zeigen sollte weil es weniger sein Können und viel mehr die Notenbanken, Glück
und Zufall waren die dafür gesorgt haben das sich die Depots so gut entwickelt haben....