(15.06.2024, 18:45)gelbfuss schrieb: Hab Mal ne grundsätzliche Frage als Südwestdeutscher.
Warum haben Ostdeutsche so ne Affinität zu Russland?
Ich eben als Badener hab's eher mit den Franzosen, die es nach WW2 und danach eher gut mit uns gemeint haben. Bei aller Schuld damals. Elsass und so.
Bei all den Östlichen Gebieten hatten die doch deutlich weniger zu lachen als wir.
Die Balten, Polen, und vielen andere haben das schon länger erkannt.
Warum ist das so?
Ich mag anmerken, ich hab schon 93 mit mehr Leuten in der Weiterbildung aus'm Osten nicht nur gearbeitet, auch in WG's gewohnt und vieles geteilt. Ich dachte, ich
Kenne die Ostdeutsche Seele etwas, aber seit 2022 bin ich etwas ratlos.
Kann mir ein Ossi um die 50 Jahre mir als Südi da etwas aus der Patsche helfen?
Ich hab natürlich noch Kontakt, ich mag da Gräfenhainichen hervorheben, aber das ist da dünnes Eis.
Just my cent.
(15.06.2024, 22:38)vrider73 schrieb: Hm, schwierige Sache mit den Russen.
Wobei die Sowjetunion nicht nur Russen waren, das waren ja noch mal mehr Völker. Stalin war zb Georgier.
Im Osten wollte man die ,umgangssprachlichen, Russen nur los werden und endlich auch wie im Westen leben können. Im Osten wurden komplette, funktionierende Industrieanlagen nach dem Krieg abgebaut und nach Russland verfrachtet. Aufgebaut und genutzt wurden sie nicht, da das Wissen zum Umgang fehlte. Aber weg war weg.
Und dann waren auch Reparationen in den Osten zu zahlen und Beschränkungen einzuhalten. Zb durfte keine große Traktoren über 100PS Und keine schweren LKW mehr hier entwickelt oder produziert werden. Auch Motorräder mit Viertaktmotoren fielen unter diese Beschränkungen.
Etwas wie den den Marschallplan für den Westen gab es hingegen für den Osten nicht. Der ist aber die Grundlage für den Wohlstand der alten BRD. Der Fleiß allein hätte nichts gebracht. Hätte der Westen die selben Beschränkungen gehabt wie der Osten, hätte er 1989 auch genauso ausgesehen.
Den Wohlstand hat sich die alte BRD schwer erarbeitet, aber das ging nur weil man Ihr die Möglichkeit dazu gab und das förderte. Und genau diese Möglichkeit hatte der Osten nicht.
Aber seit Gorbatschow gab es eine Perspektive auf Verbesserung der Situation.
Und Gorbatschow ist man bis heute dankbar für das Ja zum Ende der der Besatzung durch die Sowjetunion. Die Sowjetunion/heute Russland ist die einzige Siegermacht des zweiten Weltkrieges die das besetzte Land auch mal irgendwann verlassen hat, und zwar vollständig.
Deutschland hat, nach dem Ende der Besetzung des Ostens, von dort über viele Jahre allee für die eigene Wirtschaft, zu vernünftigen Preisen kaufen können.
Niemand im Osten, den ich kenne, will die DDR zurück oder die Zustände wie im aktuellen Russland.
Aber deren Konflikte sind nicht unsere. Und wenn die Sowjets/Russen es nicht gewollt hätten, wäre heute niemand im Ostblock frei, dann wären die einfach da geblieben.
Das Sozialismus nicht funktioniert hat man im Osten erlebt, gelernt und verstanden. Aber die linksgrünen Einheitsparteien spielen jetzt genau dieses Lied der Planwirtschaft und Besserwisserei. Und da sagt man im Osten dann halt Nein, hatten wir schon, brauchen wir nicht wieder.
Deshalb ist der Osten blau. Die Roten nutzen heute auch andere Farben und werden im Westen gewählt.
Ok, wir hatten Besuch und ich evtl ein, zwei Bier zu viel, aber evtl hilft das jemandem weiter.
Ich denke es ist absolut richtig den "70m Vorsprung im 100m Lauf" der BRD gegenüber der DDR zu sehen. KEin Marshal Plan ist das Eine. Massive Reparationszahlungen und der Abbau der ganzen Schwerindustrie was anderes.
Ich kenne auch wenige, die DDR zurück haben wollen. Ein bisschen "verniedlicht" wird das eventuell schon. Aber nicht verherrlicht.
Eine extrem pro-Russische Haltung ist im Moment eher Ausdruck eines Anti-West Sentiments. Auf den einschlägigen Demos siehst doch sehr häufig die Deutsch-Russische Kombifahne. Da gehts um Anti-Alles. Gendern, Grüne, Klimawandel, Flüchtlinge. Die Ossis haben da schon noch einen Softspot fürn nen starken Typen, der "das alles regelt".
So absurd es klingt: gerade den Nachkommen der DDR fehlt der antifaschistische Reflex. Nach dem Krieg haben auch die Russen ex NS-Führung in alle wichtige Positionen gesetzt. Genau wie im Westen. Ging ja gar nicht anders.
Der autoritäre Fascho-Geist war tief in der DDR verwurzelt. Die Art und Weise wie die Grenzer mit dir gesprochen haben, war schon lustig. Das war echt ne Erfahrung, wenn die im Zug kontrolliert haben. Das war als Kind echt seltsam.
Die 68er waren in Deutschland ein notwendiges Übel das auszutreiben. Fokus auf Rechtsstaat als einzige Quelle der Autorität. Nicht Uniform oder Titel. Das hatte DDR einfach nicht. Merkt man jetzt.
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