Zitat:reportage
Zukunftsprojekt in Duisburg
Von der Kohleninsel zum Hightech-Hafenterminal
Stand: 24.09.2024 08:30 Uhr
Im Hafen von Duisburg hat Europas größtes Binnenterminal seine Arbeit aufgenommen. Es soll den Lkw-Verkehr verringern, Straßen und Brücken entlasten und zudem klimaneutral betrieben werden.
Von Susanna Zdrzalek, WDR
Die sogenannte Kohleninsel im Duisburger Hafen ist eine schmale Landzunge, umrahmt vom Hafenkanal. Hier, wo vor ein paar Jahren noch Kohle gelagert und verladen wurde, entsteht gerade Europas größtes Binnenterminal, das "Duisburg Gateway Terminal". Sven Zölle ist seit einem Jahr einer der Geschäftsführer hier, hat dafür seinen Job in der Schweiz gekündigt und ist ins Ruhrgebiet gezogen. Zölle hat als junger Mann als Kranführer angefangen, nun durfte er selbst ein Terminal bauen.
Wenn er von dem Moment erzählt, als er das Gelände in Duisburg zum ersten Mal gesehen hat, strahlen seine Augen: "Es ist gigantisch. Es sind etwa 33 Fußballfelder, die aneinandergeknüpft sind. Jeden Tag, wenn man hierher kommt, sieht man die Dimension. Das ist einfach fantastisch."
Für eine Million Container pro Jahr
Das Terminal ist ein Umschlagplatz für Container voller Waren und Rohstoffe. Drei riesige Kräne sind am neuen Terminal bereits in Aktion, sechs sollen es mal insgesamt sein. Eine Million Container werden sie dann pro Jahr verladen - von Schiffen, die von Häfen in den Niederlanden, Belgien oder auch Italien über die Ruhr hierherkommen, auf die Schiene.
Die Gleise führen einmal quer über die Kohleninsel. Güterzüge sollen die Waren dann über den Landweg weitertransportieren, bis nach China. Noch fahren auch viele Lkw auf die Kohleninsel, perspektivisch soll ihre Zahl aber deutlich kleiner werden, sagt Christoph Kahlert. Er ist Gründungsgeschäftsführer des Terminals und seit dem Beginn des Projekts im Jahr 2020 dabei.
Infrastruktur entlasten und Klima schonen
"Die Idee ist es, mit diesem Terminal einen Beitrag dazu zu leisten, dass Lkw von der Straße verschwinden", sagt Kahlert. Die Straßen-Infrastruktur in Deutschland sei überlastet, viele Brücke marode, das habe auch eingestürzte Carola-Brücke in Dresden gezeigt. "Da haben wir Riesenprobleme. Wenn wir diese schweren Verkehre auf das Schiff beziehungsweise den Zug verlagern, leisten wir auch einen Beitrag dazu, dass die Infrastruktur länger hält." Außerdem könnten so CO2-Emissionen eingespart werden. Bislang wird für eine transportierte Tonne Güter viermal so viel CO2 mit dem Lkw ausgestoßen wie mit dem Binnenschiff.
Neben den Kränen und Schienen fällt Besuchern der Kohleninsel schnell noch etwas auf. Am nördlichen Ende, gleich neben der Einfahrt, reihen sich Photovoltaikanlagen aneinander, über mehrere Hundert Meter. Sie versorgen das Terminal mit Strom aus Sonnenenergie. Überschüssiger Strom landet in einem eigenen Batteriespeicher.
Ein Terminal als Forschungsprojekt
Schnell wird deutlich: Das "Duisburg Gateway Terminal" ist auch ein Forschungsprojekt. Es soll komplett klimaneutral betrieben werden und unabhängig sein von der städtischen Energie-Infrastuktur. Ein "buntes Potpourri" aus Energieerzeugungsanlagen soll das möglich machen, erklärt Projektmanager Alexander Garbar. Er und sein Team haben das Energiekonzept in den vergangenen Jahren entwickelt. Unterstützt werden sie dabei unter anderem vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT.
Besonders stolz ist Garbar auf einen auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkenden weißen Tank. Eine halbe Tonne Wasserstoff passt hier rein. "Wir nennen das unseren kleinen Torpedo. Es ist die erste Anlage dieser Art, die wir hier im Hafen aufgebaut haben. Das war ein richtig toller Moment. Keiner von uns hat vorher jemals einen echten Wasserstofftank gesehen", sagt Garbar.
Wasserstoff-Technologie wird erprobt
Mithilfe des Wasserstoffs soll Strom und Wärme erzeugt werden, wenn mal keine Sonne scheint, über Blockheizkraftwerke. Noch lassen sie dafür sogenannten "grauen" Wasserstoff anliefern, der aus Erdgas hergestellt wird. Perspektivisch soll in Duisburg eigener "grüner" - also klimaneutraler - Wasserstoff hergestellt werden, sagt Garbar.
Dass es noch deutlich teurer ist, Wasserstoff einzukaufen, als den Strom vom lokalen Energieerzeuger zu beziehen, nehmen sie in Duisburg bewusst in Kauf. Es gehe darum, auszuprobieren. "Wir müssen Erfahrungen sammeln, wir wollen testen, was es bedeutet, mit Wasserstoff im täglichen Betrieb zu arbeiten", sagt Garbar. "Und was es auch für das Terminal, für den operativen Betrieb bedeutet, mit verschiedenen Komponenten möglichst autark zu agieren."
Für Geschäftsführer Zölle fühlt sich das alles auch noch etwas unwirklich an, wie er sagt. "Ich freue mich, wenn im Betrieb dann alles funktioniert. Im Moment ist das, was wir hier machen, noch einzigartig."
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/ene...e-100.html
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