Zitat:Warum das letzte Tabu der Asylpolitik jetzt fallen könnte – dank Dänemark
Der Kern der europäischen Migrationskrise ist eine weltweit einmalige Auslegung des Rechts auf Asyl. Sie wurzelt in der Europäischen Menschenrechtskonvention. Am Dienstag übernimmt Dänemark die EU-Ratspräsidentschaft – und will an ein Tabu rühren.
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Seit einem Jahrzehnt versuchen Deutschland und Europa, die Asylkrise zu überwinden. Flüchtlingsdeals, eine Reform des EU-Asylsystems, nationale Grenzkontrollen – unzählige Maßnahmen wurden ergriffen, sie haben aber die Überforderung des Kontinents mit der illegalen Migration nicht beendet. Das ist keine Überraschung, denn der Kern des Problems wurde nie angerührt: die weltweit einmalige juristische Selbstfesselung der EU.
Bisher galt es als Tabu, dort anzusetzen. Das will eine Gruppe von Ländern nun ändern. Am Dienstag übernimmt Dänemark für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft. Auf der Agenda steht für die Regierung in Kopenhagen auch, eine Debatte über die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) anzustoßen, die den Kontinent in der Migrationspolitik lähmt. In der EMRK wurzelt das Gebot der Nicht-Zurückweisung, das dafür sorgt, dass jeder Migrant, der Asyl begehrt, einreisen darf und ein Recht auf eine Prüfung seines Falls hat.
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Tatsächlich macht es sich zu einfach, wer mit Verweis auf „die Menschenrechte“ oder „das Europarecht“ jede Änderung der Konvention vom Tisch wischt. Denn ihre Vorschriften sind, obwohl sie in der Genfer Flüchtlingskonvention wurzeln, nicht universell. Richtig ist vielmehr, dass nirgendwo das Nicht-Zurückweisungs-Gebot so absolut und unumstößlich verankert ist wie in der Europäischen Union. Länder wie die USA, Kanada oder Australien, die ebenfalls zu den Unterzeichnern der Genfer Flüchtlingskonvention gehören, verfügen über deutlich mehr politischen Spielraum, Migranten zurückzuweisen oder abzuschieben.
Die Europäische Menschenrechtskonvention hingegen leitet das Zurückweisungs-Verbot aus ihrem sehr allgemein formulierten Artikel 3 ab: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“ Der Menschenrechts-Gerichtshof wiederum hat daraus, flankiert von Entwicklungen im EU-Recht, in zahlreichen Urteilen ein absolutes Zurückweisungs-Verbot ohne Ausnahmen gemacht – selbst bei Terrorverdacht oder Bedrohung nationaler Sicherheitsinteressen.
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