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Auf zweifachen Wunsch
#1
Notiz 

Auf zweifachen Wunsch

Die raumhohe Fensterfacade des Yaletown Rooms im Paradox Hotel ermöglichte einen beindruckenden Panoramablick auf das spätsommerliche Vancouver. Philip freute sich schon darauf am Nachmittag den Hafen zu besuchen und abends die Club Szene zu erkunden.

So es Hofner und ihm denn gelingen würde diesen Konferenzraum noch lebendig zu verlassen.

Outnumbered. Outgunned. Aussichtslos. Wie der verzweifelte Kampf der 300 Spartaner bei den Thermopylen.

Philip und Hofner saßen zu zweit auf der einen Seite des Konferenztisches. Gegenüber hatte das Family Office der Wu Familie die schweren Geschütze in Stellung gebracht.
Der Managing Director Thomas Wüter, ein ehemaliger Rohstoff Händler mit Stationen bei Trafigura und der UBS, hatte seinen Heimaturlaub in der Schweiz frühzeitig beendet, um der Veranstaltung beizuwohnen. Flankiert wurde er von Jasim Alvi, dem pakistanischen Head of Risk und Emily Shan, der quantitativen Portfoliomanagerin.
Die Front wurde abgerundet durch zwei Junior Quants, deren osteuropäischen Namen Philip bereits vergessen hatte und zwei bemüht professionell auftretende Anwälte aus einer Kanzlei, die die Wu Familie in finanziellen Fragen vertraten.

Nach dem man fleißig Hände geschüttelt und Visitenkarten ausgetauscht hatte, saß man sich nun gegenüber und sobald der Catering Service den Raum verlassen hatte, begann Wüter seine Begrüßungsrede. Er war bereits bei der Agenda angelangt, da wurde er durch den Einmarsch des dritt-jüngsten Sohn des Wu Patriarchats und dessen Entourage unterbrochen.

Eric Wu war gekommen. Im Gefolge eine junge Assistentin, zwei Berater und eine Übersetzerin. Zielstrebig und kommentarlos steuerte die Delegation das Kopfende des Tisches an. Nachdem Eric Wu sich lautstark niedergelassen hatte, nickte er Wüter und Hofner zu. Wüter nickte lächelnd zurück und fuhr unbeirrt fort.

Philip kam nicht umhin Eric Wu eine beachtliche Ähnlichkeit zu Kim Jon Un zu attestieren. Zumindest optisch. Und obwohl er nicht allzu viel Zeit in der Gegenwart von autokratischen Diktatoren verbracht hatte, entsprach auch das Verhalten des Prinzen dem, wie Philip es sich in der Kommandozentrale Nordkoreas ausmalte. Er fragte sich wie viel Geld Wüter zugeworfen bekam, damit er sowas mitmachte.

Wahrscheinlich sehr viel. Niemand kannte eine genaue Ziffer, aber die Wu Familie war ein echter Drache Südostasiens. Mindestens so reich und einflussreich wie sie auch skrupellos und geheimnisvoll waren.

Der Aufstieg des Wu Imperiums begann mit der Flucht vor dem kommunistischen Regime nach Taiwan und Hong Kong. Wie immer boten Krisen auch Chancen. Und die Wu Familie hatte alle Chancen ergriffen. Und wo es keine Chancen gab, hatten sie sich selbst welche geschaffen.  Hofner hatte vor langer Zeit den Versuch gemacht, das Geflecht an Firmen und Holdings etwas zu entwirren. Natürlich war ihm das nicht ansatzweise gelungen.

Aber es war offensichtlich, dass das Imperium gigantische Ausmaße hatte. Ihre Zeitarbeitsfirma versorgte den Großteil der Emirate mit billigen Arbeitskräften aus Bangladesch und von den Philippinen, Hotelketten und Ferien-Resorts in Afrika, mehrere Logistik Firmen und Baugesellschaften, ein führender Fabrikant für Fischereizubehör in Nordamerika, eine beachtliche Beteiligung am größten vietnamnesischen Telecom Konzern, ein thailändisches Verlagshaus, Immobilien und der führende Sportwettenbetreiber in Hong Kong….

Aus Sicht der Wu Familie musste das Investment in Hofners Asset Management Firma lächerlich klein sein.  Wüter hatte durchblicken lassen, dass das Investment des Family Offices in Future Advisors und Hedge Funds relativ gering war. Und auch dass das Family Office als Ganzes nur einen Bruchteil des Vermögens verwaltete. Philip hatte Hofner gefragt warum die Wu Familie es dennoch für notwendig empfand einen so hochrangigen Vertreter zu schicken.

Eric Wu hatte mehrere Hedge Fund Manager bei high stakes Poker Runden in Aspen kennen gelernt. Und es war ihm wichtig auch hier involviert zu sein. „Wer so viel Geld hat, will auch die entsprechende Anerkennung und das Prestige. Man will in Wimbledon und beim Hong Kong Derby mit Schauspielern und Stars gesehen werden. “ hatte Hofner gesagt. „Die Wu’s haben ihre bescheidenen Anfänge nicht vergessen. Und auch nicht die anfänglichen Schmähungen der europäischen und angelsächsischen high society.“

Für Hofner war das Investment gelinde gesagt beträchtlich. Fast 90% des AUM stammten aus dem Family Office der Wu. Die Familie Wu war somit Hofners wichtigster Anleger.
Und genau dieser Umstand machte diesen Termin so unangenehm. Seit ziemlich genau einem Jahr lief es bei Hoffners Firma nicht mehr rund. Die Märkte bewegten sich auf den höheren Timeframes viel seitwärts. Auf den kürzeren Timeframes war alles chaotischer geworden. Philips account sah bezüglich der Rendite gut aus. Aber er wusste genau, dass zwei für ihn zu große Trades das Ergebnis maskierten. Er hatte einfach Glück gehabt. Hofners account sah diesmal schlechter aus eben WEIL er disziplinierter handelte als Philip.

Philip hatte Hofner noch nie wirklich nervös erlebt. Aber er kannte ihn gut genug um zu wissen, dass die Vorbereitung auf den Termin eine Belastung gewesen war. Die für ihn unüblichen Überstunden waren ein klares Indiz. Hofner hatte sogar mehrfach seine Squash Runde ausfallen lassen.
Philip hatte Hofner für das Slide Deck der heutigen Präsentation zugearbeitet. Equity Kurven, Verteilung der Returns, VaR breaches, Sharpe Ratios, Trefferquote, Handelsfrequenz, draw downs, größte Gewinner und größte Verlierer. Aufgeschlüsselt nach Asset Klassen und Trade Größe. Natalie, die neue Data-Scientistin in Hofners Büro, war eine enorme Hilfe gewesen. Noch nie hatte der Investor Report solche schönen Visualisierungen gehabt.

Leider zeigten diese schönen Visualisierungen nichts Gutes. Im Gegenteil. Als Hofner durch die Präsentation führte, machte er auch keinerlei Anstalten es zu verheimlichen oder zu beschönigen.

Dies war das mit Abstand schlechteste Jahr in Hofners Geschichte. Und was das eigentlich Besorgniserregende war: die Handelsfrequenz aller Trader in Hoffners Firma war im Laufe des Jahres eingebrochen. Die erfahrene und disziplinierte Truppe um Hofner handelte nicht, wenn es keine guten Setups gab. Die Trades die übrig blieben, glichen vom Ergebnis aber einem Münzwurf.

Hofners Nachricht war sachlich und unaufgeregt, aber deutlich: der Markt hat sich geändert. Wir haben keinen Edge mehr. Wir müssen uns neu orientieren oder den Handel einstellen. Trading ist ein Geschäft wie jedes andere auch. Das Ego darf in der Bewertung des Geschäftsmodelles keine Rolle spielen.
Philip sah die Quants des Family Offices an mehreren Stellen zustimmend nicken. Hofner erzählte ihnen offensichtlich nicht viel neues.
 
Eric Wu hatte während der Präsentation auf sein Tablet gestarrt, ergriff jetzt aber das Wort. In Mandarin. Die Übersetzerin tat ihr Bestes, simultan zu übersetzen. Man war nicht zufrieden und erwarte mehr, danke aber für das Erscheinen und wünsche einen schönen Aufenthalt in Vancouver. Damit erhob sich Wu und verließ den Raum. Philip war jetzt nicht klar, ob Eric Wu englisch sprach oder ob er überhaupt auch nur ein Wort verstanden hatte.

Den Auftritt erneut ignorierend, ergriff Wüter nun wieder das Wort. Man würde auf jeden Fall die Funds bei Hofners Firma für ein weiteres Jahr einlocken. Emily Shan erläuterte, dass Hofners Firma in den letzten Jahren relativ unkorrelierte Returns beigesteuert hätte, und deshalb für das Portfolio des Family Offices ein interessantes Asset wären. Das Meeting wandelte sich nun von einer Präsentation in ein konstruktives Arbeitsmeeting. Jasim, Emily und die Junior Quants hatten mehrere interessante Fragen zu den Daten und einige Vorschläge zu weiteren Analysen, insbesondere bezüglich der Trade Kosten.

Philip beobachte in Hofner nun den Abschluss einer Transformation, deren Beginn er schon gegen Ende der Vorbereitung auf das Meeting festgestellt hatte. Aus anfänglicher Besorgnis und Unverständnis wurde Neugierde, ja sogar Begeisterung für die neue Aufgabe. Die Bestie Markt war mutiert. Man musste sie erneut erforschen und sich anpassen. Oder sterben.

Das Meeting endete in gelöster Stimmung. Emily, Avi und die Junior Quants musste sich verabschieden und sich auf den Weg zum Flieger machen. Auch die Anwälte kamen wohl zu dem Schluss, dass sie den Rest der Veranstaltung wohl nicht mehr in Rechnung stellen könnten.
Hofner, Wüter und blieben noch eine Weile und führten das Gespräch in deutscher Sprache fort. Wüter und Hofner kannten sich gut aus ihrer gemeinsamen Zeit bei der UBS und es war Wüter, der Hofners Firma beim Portfolio Management ins Gespräch gebracht hatte.

Als das Catering Personal erschien und aufzuräumen begann, war man schon laut lachend bei Anekdoten aus der gemeinsamen Vergangenheit angekommen und brach dann die Zelte ab.

Als Philip die Tür seines Hotelzimmers hinter sich schloss, warf er sich erstmal aufs Bett und streifte seine Schuhe ab. Er war die Arbeit allein vor seinen Bildschirmen gewohnt. Das Meeting war sehr spannend und unterhaltsam gewesen, hatte ihn aber dann doch sehr angestrengt. Er bediente sich an einer kalten Cola aus der Minibar um den Blutzuckerspiegel auf ein vernünftiges Niveau zu bringen und scrollte durch die Nachrichten auf seinem Telefon. Hofner hatte schon die gesicherte Finanzierung im Slack Channel der Firma geteilt. Auch Philip bedankte sich im Channel erneut bei Natalie für ihre Unterstützung.

Etwas erholt schlüpfte er in angemessenere Kleidung. Khaki Shorts und Polo Hemd. Und vor allem bequemere Schuhe. Er hatte das Catering nicht angefasst und nun meldete sich der Hunger. Auf der Suche nach Essbarem machte sich Philip auf den Weg in das Restaurant auf der Terrasse. Es war ein sonniger Tag und ein ordentlicher Wind trieb große, weiße Quellwolken über den Himmel.Dort entdeckte er Hofner. Dieser saß, sichtlich entspannt, mit einem Cafe in der Sonne, die Füße unter dem Tisch ausgestreckt und winkte Philip sofort herbei, sobald er ihn entdeckt hatte.

„Und wie fandest du es“? fragte er Philip. Philip schilderte ihm seine Eindrücke. Hofner hörte aufmerksam zu. Als Philip ihm die Hypothese unterbreitete, dass er vermutete, Hofner sei geradezu begeistert von den Aussichten eine neue Herausforderung meistern zu müssen und seine Strategien in Frage zu stellen, runzelte er die Stirn. „Hmm. Ja und Nein. Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist es eine Art Midlife-Crisis“. Beide mussten lachen. Hofner fuhr fort:“ Na ja, eigentlich bin ich dafür zu alt. Wir beide wissen, das Trading nicht ständig aufregend sein kann und soll, wenn man weiß was man tut. Für den Kick geht man ins Casino. Aber vielleicht sucht man doch, unbewusst eine neue Herausforderung?
Auf der anderen Seite ist Trading sowieso ein evolutionärer Prozess. Wir hinterfragen uns ständig. Drehen jede Idee auf links. Meist läuft die Evolution aber in langsam und in inkrementellen Schritten statt. Und nur selten gibt es den Vulkanausbruch, der das Klima verändert und drastische Anpassungen der Umwelt hervorruft“.
Philip nickte nachdenklich „interessante Analogie. Ich frage mich, ob ich schon einmal so eine Änderung erlebt habe?  Du hast gesagt, die Krise 2008 war aus eurer Sicht Nix besonderes, aber es hat Änderungen direkt danach gegeben?“.
Hoffer stimmte zu: „Ja, danach wurden bei den Banken der Eigenhandel quasi verboten. Da ist spürbar etwas im Markt verloren gegangen. Aber du kanntest die Zeit davor halt nicht um den Unterschied zu bemerken“
Philip seufzte „Ist das der automatisierte Handel? Irgendwie hatte ich, zumindest gefühlt, gerade meinen Platz im Markt gefunden. Auch privat habe ich mich jetzt ein bisschen niedergelassen. Ich weiß nicht, ob ich deine Begeisterung für neue Herausforderungen teile. Vielleicht sind wir die Dinosaurier. Unser letztes Hurra.“
Hofner lachte: „Na ja. Wenn es da keine Kokain Abhängigkeit gibt, von der ich nix weiß, solltest du ja ordentliche Rücklagen haben. Ich würde sagen wir beginnen unsere Entdeckungsreise heute. Bestell dir erstmal was zu essen und triff mich so gegen vier Uhr in der Tiefgarage. Bring einen Pulli und deine Sonnenbrille mit. Wir fahren einen Freund besuchen.“

Philip genoss ein ihm nicht bekanntes Pasta Gericht und zog sich danach eine halbe Stunde auf sein Zimmer zurück. 
Satt und gut ausgeruht streifte er danach auf der Suche nach Hofner durch die Tiefgarage. Er fand ihn über sein Handy gebeugt und an einen matt-schwarzen Jaguar F-Type SVR gelehnt.

„Was ist das?“ fragte Philip und nickte in Richtung Auto.

„Was das ist, weißt du doch besser als ich. Ich hatte sportlich bestellt und eine Budget Obergrenze gegeben. Mehr weiß ich nicht“ Hofner machte sich nix aus Autos. Der Leihwagen war offensichtlich ein Gefallen an Philip. Hofner warf Philip den Schlüssel zu und ging zur Beifahrertür.

„Fahr aber vernünftig. Die Kanadier sind entspannte Menschen“.

Sobald sie aus der Tiefgarage hinaus waren, hatte Hofner die Zieladresse aus seinem Handy in das Navigationsgerät getippt. Philip sah aus dem Augenwinkel: gut eine Stunde Fahrt nördlich, entlang der Straight of Georgia.

Vancouver war angenehm zu befahren und so ließen sie die nördlichen Ausläufer der Stadt bald hinter sich. Zu Philips Linken befand sich der türkisfarbene Fjord eingerahmt von waldbedeckten Berghängen. Das Wetter war wunderbar.

Als sie kurz auf einem Parkplatz kurz pausierten um noch etwas die Sonne und die Aussicht zu genießen, fragte Philip Hofner: „Wer ist nun dieser Mister X, den wir hier besuchen?“.
Hofner lachte: „ Ja, Mister X beschreibt es ganz gut. Der Mann heißt Arnor Stefanson. Auch ihn kenne ich von meiner Zeit bei der UBS. Er hat dort als Externer eine Execution Engine entworfen und implementiert. Ein exzellenter Quant und Software Entwickler. Ein echter Raketenwissenschaftler.“
Hofner zückte sein Handy und las mit monotoner Stimme vor:
„Diplom in Mathe und Physik mit den Nebenfächern Informatik und Luft-und Raumfahrttechnik an der Uni Karlsruhe. Einen Bachelor in Electrical Engineering und einen Master in Robotics am ETH Zürich. CFA und Aktuar. 3 Jahre bei der bei der European Space Agency, dann zwei Jahre Software Engineering bei der Telefoncia Espana, 2 Jahre bei der Swiss RE und ein gescheitertes Robotic Startup. Dann ins Trading: Goldman Sachs, HSBC, Nomura und eine Zeit als Freelancer. Da habe ich ihn kennen gelernt. Dann recht lange zu Optiver. Dann ein erfolgreiches Start Up zur optimalen Steuerung von Rechenzentren.  Daraufhin zurück an die Uni für seinen PhD in Plasma Physik am ETH.  Jetzt macht er irgendwas in der Biotechnologie, hat sein eigenes kleines Handelsunternehmen, ist sowas wie ein Business Angel und unterstützt Singapur bei der Optimierung ihrer Verkehrssteuerung.“   
„So umfassend hätte ich es jetzt nicht gebraucht“ lachte Philipp.
Hofner zuckte mit den Schultern: „Du hast gefragt, steht alles auf seiner Website“ 
„Website? Dann doch nicht so James Bond mäßig?“
„Ne. Er geht jetzt nicht übermäßig hausieren mit dem Kram den er macht. Aber er ist jetzt nicht bei der NSA oder so.“

Nach kurzer Fahrt schickte die Navigation sie dann von der Straße auf eine Schotterstraße, die sich steil in die Berge hinauf schlängelte. Philip schlich mit Schrittgeschwindigkeit voran, um den Wagen nicht durch Rollsplit zu beschädigen.

Die Straße endete plötzlich auf einer Art Wendeplatte. Dort standen, neben einem Stapel entästeter und entrindeter Bäume ein Volvo Pickup mit starken Gebrauchspuren und eine alte G-Klasse.

„Park dort direkt daneben, auf der anderen Seite vom Stapel, falls jemand ans Holz will.“ dirigierte Hofner.
Philip stieg aus. Die Sonne war noch hoch am Himmel. Es war warm und der Staub, den sie aufgewirbelt hatte, setzte sich wieder. Philip stellte die Auswahl seines Outfits in Frage. Das weiße Hemd zog zusätzliche die Mücken an.

„Und jetzt?“ Hofer nickte in eine Richtung.

Erst jetzt bemerkte Philip einen klassischen amerikanischen Briefkasten am Ende eines Pfades, der steil weiter in den Bergwald führte. Hofner ging voran. Das erste Stück war sehr steil und teilweise mit hölzernen Stufen ausgebaut. Dann wurde der Untergrund felsiger und zu seiner Linken konnte Philipp jetzt über die Baumwipfel die ganze Bucht einsehen. Sie hatten doch einiges an Höhe gewonnen. Nach ca 10 Minuten machte der Pfad eine scharfe Biegung um eine Felsspitze und sie betraten ein Steinplateau mit beeindruckender Aussicht. 

An der Spitze des Plateaus stand ein großes und eigentümliches Anwesen. Eine seltsame Mischung aus Bunker, Raumstation und Berghütte.

„Mhh. Die James Bond Referenz macht jetzt wieder mehr Sinn“ meinte Philipp. Hofner lachte und ging auf das Haus zu. Philipp bemerkte zwei Rhodesian Ridgebacks, die in der Sonne lagen und nun aufstanden und sie aufmerksam beobachteten.
„Wir werden erwartet?“ fragte Philip. Hofner drehte sich rum. „Ja, Arnor weiß das wir kommen“.
 „Gut, ich präzisiere meine Frage noch etwas. Die da wissen auch das wir kommen?“ meinte Philip und zeigte auf die Hunde. Hofner drehte sich erneut zum Haus. „Ach so. Ja. Die tun nix“. 
In diesem Moment kam ein Mann aus dem Haus. Braun gebrannt mit kurz rasierten Haaren, mit einem sleveless shirt, Laufschuhen und Cargo Shorts. Er trug einen Drahtkorb und begann diesen mit Holz zu befüllen, das an der Wand gestapelt lag. Bevor Hofner etwas rufen konnte folgte der Blick des Mannes dem Blick der Hunde und er winkte ihnen zu.

Die Hunde fassten das als Kommando auf und stürmten auf die Neuankömmlinge zu. Nach einer enthusiastischen Begrüßung konnten Hofner und Philip den Weg fortsetzen. Arnor kam ihnen lächelnd entgegen. Er war etwas kleiner als der hoch aufgeschossene Hofner, von der Sonne gebräunt und steckte in einem Körper, der deutliche von körperlicher Arbeit und regelmäßigen Training zeugte. Hofner und er umarmten sich lachend. Freundlich lächelnd reichte er seine schwielige Hand Philip zur Begrüßung. „Hallo Philip, ich bin Arnor. Das sind Faramir und Olga“. Philip erwiderte den Gruß.

Philip folgte Hofner und Arnor zum Haus, während sie etwas small talk über die Anreise hielten. Arnors Deutsch war flüssig und hatte einen leichten skandinavischen Akzent. ZU Beginn gab es eine Führung. Das Haus war in der Tat seltsam. Der Kern bestand tatsächlich aus einer Art Bunker mit Turm aus Stahlbeton. Um diesen Kern waren weitere Wohnräume mit großen Fenstern und viel Holz angebaut. Das Anwesen war hatte eine redundante Stromversorgung, der Großteil wurde mit Solarstrom gedeckt und in zwei Batterien gespeichert. Es gab aber auch mehrere Kamine, eine Holzheizung und zwei Notstromaggregate. Fast jedes Fenster hatte einen Atemberaubenden Panorama Blick über die Berge bis an den Pazifik.

Im Erdgeschoss befand sich ein rustikaler und gut ausgestatteter Fitnessraum. Ein Squat Rack mit einer Plattform mit ausreichend Gewichtscheiben, und eine Vielzahl an Klimmzugstangen, Kurzhanteln, Medizinbällen, Hürden, Kugelhanteln, Sprungseilen, Bocksäcken in unterschiedlicher Form und Gewichtswesten. Ein Teil des Raumes war mit Matten ausgelegt und eine Wand war von Arnors Frau zu einer Kletterwand umgebaut worden. Eine Gruppe an Cardio Geräten, Mountainbikes und Langlauf-Skier vollendeten das Chaos.

Die andere Hälfte des Untergeschosses wurde von einer Mischung aus Werkstatt und Labor eingenommen. Philip stand verdutzt vor einem Kuka Roboterarm. Arnor lachte. „Nach wie vor ein Hobby von mir. Sündhaft teuer. Aber er bereitet mir in den langen Wintermonaten viel Freude“.
„Er?“ fragte Philip stirnrunzelnd. Arnor und Hofner lachten erneut laut auf. „Ja. Darf ich vorstellen Philipp: das ist Alfred. Alfred, das ist Philip“.  
Im Keller befanden sich der Heizungsraum, ein Serverraum und eine Unmenge an Vorräten. „Redundante Stromversorgung, Satelliten und Funkausrüstung, eigene Wasserversorgung und jetzt so ein Berg Trockenfutter. Ich wusste nicht das du bist unter die Prepper gegangen bist.“ sagte Hofner schmunzelnd. „Ne dafür habe ich zu wenig Schusswaffen im Haus. Aber ja. Ich bin hier gut vorbereitet. Das entspannt mich. Und macht irgendwie Spaß.“  
Nach dem man noch außerhalb des Hauses auf der Südseite die Garten-Treibhäuser und ein 30m langes Kaltwasserbecken besichtigt hatte, endete die Tour auf der geräumigen Holzterrasse auf der Westseite.

Ein Haus sagte viel über eine Person aus. Wie sich raus stellte, ernährten sich Arnor und seine Frau vegan. Mit der Ausnahme von selbst gejagtem Wild und selbst gefangenem Fisch. Er war großer Fan von Jazz Musik, sie eine Anhängerin von skandinavischem Thrash Metal. Man konnte über Hofner sagen was man wollte, aber er kannte seltsame Menschen. Philip fragte sich allerdings, ob man von so einem….Cyber Hippie?....irgendwas lernen konnte.

Während Arnor drinnen ein paar Getränke und Snacks besorgte, ließen Hofner und Philip sich auf den schrecklich bequemen Gartenmöbeln nieder und genossen die Aussicht. Faramir platzierte seinen schweren Kopf wie selbstverständlich quer über Philips Schoß und forderte Zuneigung.
Arnor stellte ein Tablet ab und setzte sich zu ihnen. Das Gespräch zwischen ihm und Hofner folgte einem Muster, das Philip gut kannte. Erst wurde persönliches besprochen. 

Dann wechselte das Thema auf das berufliche und endete meist in einer philosophischen Debatte.
Schließlich schilderte Hofner das aktuelle Dilemma und das heutige Investoren Meeting. Arnor hörte aufmerksam zu.

„Es ist seltsam. Auf den einzelnen Zeitebenen sehen die Charts aus wie immer, nur scheint sich der Zusammenhang zwischen den einzelnen Zeitebenen geändert zu haben. Und die Großwetterlage ist nicht mehr so einfach zu interpretieren. Und wenn es sich dann doch mal ähnlich verhält, hat man seinen Stop etwas zu eng gelegt.“

Arnor nickte: „Es ist seltsam. Wir kennen uns so lange, aber wir haben nie wirklich über euren Handelsansatz geredet. Wenn du es in einem Satz formulieren müsstest: was ist dein Edge?“

Hofner überlegte nicht lange: „ich versuche zu ermitteln: wo entsteht Bewegung? Zeigt die Großwetterlage eine Bewegung an und befinde ich mich in der Bewegung oder der Korrektur“
Arnor: „also eine Art Trend?“
Hofner: „Im Prinzip ja. Also ich identifiziere einen bestehenden übergeordneten Trend und versuche zu erfassen, ob ich noch in der Trendrichtung oder in einer Korrektur befinde. Wir nennen dass das „wo“. Alles was zu weit im Trend fortgeschritten ist, sortiere ich aus.“
Arnor: „übergeordnet bedeutet hier auf einer höheren Zeitebenen?“
Hofner:“genau. Ich versuche in der Korrektur den Einstieg zu machen. Dazu verwende ich ein untergeordnetes  1-2-3 Pattern und/oder  den Umkehrstab. Das sind aber natürlich nicht die einzigen Faktoren. Wie gesagt: die Charts in den anderen Zeitebenen müssen das Bild vervollständigen.“
Arnor: „aber nur von dem Asset dass du handelst? Also wenn du den ES handelst, dann spielt der Kurs des SPY keine Rolle?“
Hofner: „das hängt vom Handelstag ab. Aber in der Regel nein. An einem normalen Tag versuche ich mich auf das Asset selbst zu konzentrieren. Aber wenn es kracht und alles rot blinkt und offensichtlich was im Markt los ist, dann bewertet man die Großwetterlage natürlich entsprechend.“
Arnor: „wir haben also grundsätzlich die Annahme das wir Trends, die sich auch weiterhin fortsetzen werden, identifizieren können. Das ist eine sehr sehr sehr starke Annahme.  Wenn ich das kann, wieso ist der Handel des Punkt 2 so wichtig? Wieso das Heckmeck mit dem Einstig in der Korrektur?“
Hofner: „um das Chance/Risiko Verhältnis zu verbessern“
Arnor: „und das Risiko um das wir hier rumtanzen ohne es auszusprechen ist offensichtlich, dass sich der Trend nicht fortsetzt.“
Hofner überlegte kurz: „Ja“
Arnor:“wieso ist der Punkt zwei so wichtig?“
Hofner: “die Frage beim Einstigeg muss doch lauten:  wer kauft nach mir? Wie nennt ihr das nochmal?“
Arnor: “wir nennen das den marginal trader“:
Hofner: „Genau. Die Idee ist, dass um den Punkt zwei viele Marktteilnehmer ihren stop loss haben“.
Arnor: „Auch das ist eine Annahme, die ich erstmal so in Frage stelle.  Die Frage bleibt. Was ist euer Edge. Wenn ihr doch auf Basis eurer Marktsicht einen übergeordneten Trend identifiziert habt, war setzt ihr dann keine Market Order ab?“
Hofner: „na ich will Kontrolle über den Preis. Ich bin nicht bereit jeden Preis zu zahlen“.
Arnor: „also bei eurem Volumen macht der Preis einen solchen Unterschied? Deine Market Order wird gegen die Spitze der Limit Order gematched. Ihr denkt ihr habt einen nachhaltigen Trend, aber der Trade droht zu scheitern wenn du ein Stück weg von deinem Optimum gematched wirst?“
Hofner: „Mmmh. Es funktionier mit Market Orders einfach nicht“
Arnor: „Ich denke, und das mag schockierend für dich sein, ihr habt Geld verdient, aber wisst nicht warum? Es hat jedenfalls nichts.“
Hofner: „Das wäre jetzt aber ein großer Zufall. Dafür hat es zu lange gut funktioniert“
Arnor: “ Wirklich? Ein Modell des menschlichen Körpers, das mit Meridianen arbeitete, mag mit der Realität nix zu tun haben, aber trotzdem hilfreich sein, dem Patienten wirklich zu helfen.
Ich denke, die Tatsache das ihr auf so kurzen Time Frames Limit Orders verwendet, bietet einen Hinweis. Limit Orders sind Liquidity Provision. Ihr bietet Liquidität. Eventuell in einem Zeitrahmen und in einer Spanne, die von den elektronischen Market Makern gemieden wurde. Das ist euer Service an den Markt.  Und deshalb verdient ihr Geld.“
Hofner stand auf und wanderte nachdenklich an das Geländer der Terasse: “ interessante Hypothese. Aber was können wir, was Janestreet und Optiver nicht können?“
Arnor stand ebenfalls auf: „weiss ich nicht. Das gilt es zu erörtern und zu erforschen. Es muss was damit zu tun haben, adverse selction risk zu nehmen, dass die market maker nicht nehmen wollen“.
Philip fragte: „was ist adverse selection risk?“
Arnor drehte sich zu ihm: „Wenn dich jemand auf der Straße anspricht, dir eine Box mit Baseball Sammelkarten zeigt und dich fragt was du bereit bist zu bezahlen, dann bist du immer im Nachteil. Du weißt nicht was in der Box drin ist. Wenn du 10 EUR bietest, und dein Gegenüber schnell und fröhlich zustimmt, hast du wohl zu viel bezahlt. Wenn er das Angebot ablehnt, hast du zu wenig geboten und dir ist eventuell ein echter Schatz entgangen? Adverse Selction Risk ist das Risiko mit jemanden zu handeln, der eine klar bessere Vorstellung vom fundamentalen Wert des Assets hat, als man selbst“.
Arnor sah in den Himmel. „Es wird bal dunkel. Dann wird’s hier schnell kühl. Ich hole Holz und mache Feuer“. Er deutete auf einen Feuerkorb nahe der Sitzgruppe. „Wir diskutieren das gleich weiter“.
#2
Notiz 

RE: Auf zweifachen Wunsch

Wenn das der Michael liest....😂😂😂

Ich mach Mal Popcorn, in rauhen Mengen. 

Dieser Thread hat Potenzial...😂🖖👍

Just my Rinderroulade...👌

__________________
Hackfleisch kneten ist wie Tiere streicheln.
Nur später...  ;-)
Wer Frauen versteht, kann auch Holz schweißen.
#3

RE: Auf zweifachen Wunsch

Ich verstehe den Kontext nicht, aber wenn das jetzt richtig eine Kurzgeschichte werden soll, wäre es nicht sinnvoller lieber irgendwie einen Getrennten Diskussionthread zu machen?
#4
Notiz 

RE: Auf zweifachen Wunsch

Sehr nett gemachte Geschichte - ich habe leider im Moment die Zeit nicht, aber ich antworte später darauf.
#5
Notiz 

RE: Auf zweifachen Wunsch

(28.08.2022, 18:09)Skeptiker schrieb: Ich verstehe den Kontext nicht

Kontext:
1. Lancelot ist der Größte... Wonder
2. 123 ist Schrott und weder Trader noch Investor begreifts... Bang

zusätzlicher Kontext:
Lancelot veräppelt "Das große Buch der Markttechnik"
Disclaimer:
Ich habe das Buch auch bei mir im Regal stehen und das Geschwurbel darin ist für mich wirklich unerträglich! Scared
#6
Notiz 

RE: Auf zweifachen Wunsch

(28.08.2022, 18:09)Skeptiker schrieb: Ich verstehe den Kontext nicht, aber wenn das jetzt richtig eine Kurzgeschichte werden soll, wäre es nicht sinnvoller lieber irgendwie einen Getrennten Diskussionthread zu machen?

Kennst du die Bücher von Michael Voigt (Markttechnik, Händler)? Der Text scheint sich darauf zu beziehen.


Lancelot@ gut geschrieben Smile ; Falls es weitergeht, lese ich gerne mit, wie sich die Story entwickelt.
#7
Notiz 

RE: Auf zweifachen Wunsch

(28.08.2022, 18:09)Skeptiker schrieb: Ich verstehe den Kontext nicht……

Das ist eine sehr sehr lange Geschichte. 

Ein Buch, Rezensionen auf Amazon, unser Lancelot als Romanfigur, noch mehr Bücher, und einige legendäre Pöbel-Auftritte vom Großmeister Voigt im alten AB.

Muss vor etwa 10 Jahren angefangen haben. War eine schöne Zeit.

__________________
Es bleiben im Raum: Scholz, Habeck, Baerbock und Lindner!
#8
Notiz 

RE: Auf zweifachen Wunsch

(29.08.2022, 16:49)Kameldieb schrieb: Das ist eine sehr sehr lange Geschichte. 

Ein Buch, Rezensionen auf Amazon, unser Lancelot als Romanfigur, noch mehr Bücher, und einige legendäre Pöbel-Auftritte vom Großmeister Voigt im alten AB.

Muss vor etwa 10 Jahren angefangen haben. War eine schöne Zeit.

Kläre uns Unwissende doch bitte ein wenig auf. Ich war nicht im alten Aktienboard und weiß deshalb auch nichts darüber.

Daß es sich um das "Große Buch der Markttechnik" handelt war unschwer zu erraten, auch wenn ich es selbst nie gelesen habe.
#9
Notiz 

RE: Auf zweifachen Wunsch

(29.08.2022, 16:49)Kameldieb schrieb: Das ist eine sehr sehr lange Geschichte. 

Ein Buch, Rezensionen auf Amazon, unser Lancelot als Romanfigur, noch mehr Bücher, und einige legendäre Pöbel-Auftritte vom Großmeister Voigt im alten AB.

Muss vor etwa 10 Jahren angefangen haben. War eine schöne Zeit.

Genau! Wie können wir den Meister der Markttechnik hier in den thread locken?

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Don't stop to think, have another drink. (The Kinks, When Work is Over)
#10

RE: Auf zweifachen Wunsch

(29.08.2022, 13:45)steve77777 schrieb: Kennst du die Bücher von Michael Voigt (Markttechnik, Händler)? Der Text scheint sich darauf zu beziehen.

Nein, kenne ich nicht.

(29.08.2022, 16:49)Kameldieb schrieb: Ein Buch, Rezensionen auf Amazon, unser Lancelot als Romanfigur, noch mehr Bücher, und einige legendäre Pöbel-Auftritte vom Großmeister Voigt im alten AB.

Muss vor etwa 10 Jahren angefangen haben. War eine schöne Zeit.

Okay, also eine Geschichte, die über 10 Jahre geht?
Verstehe ich das richtig, dass jemand ein Börsenbuch geschrieben hat, indem Lancelot als fiktiver Charakter auftritt und er darin schlecht wegkommt und das jetzt quasi die Retour ist?


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