Video: Rieck über die Anschläge auf North Stream
| 01.10.2022, 14:30 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01.10.2022, 14:32 von Skeptiker.)Kommentierung:
Ohne wirkliche Insider-Informationen (0:24) stellt der Professor hier eine Überlegung an, wer wohl für den Anschlag auf Nordstream verantwortlich sein könnte.
Ich finde es schön, dass überhaupt noch gefragt wird, ob es sich dabei um einen Anschlag handelt oder vielleicht doch um etwas anderes (1:21). Meines Erachtens zeugt das einen offenen Geist, der nicht von vornherein glaubt alles zu wissen.
Auf den Gedanken (4:38), dass die Röhre eine Selbstzerstörung haben könnte, wäre ich als letztes gekommen. Mir wäre auch nicht bekannt, dass andere Bauwerke dieser Art so etwas haben.
Dass die Pipeline durch Nichtbenutzung geschädigt wird, kann ich gar nicht von der Hand weisen.
Die Idee (7:28) mit dem Signal oder der Selbstbindung haben schon andere Leute angestellt.
Knickig wird es an der Stelle, an der Rieck die Täterschaft Russlands in Zweifel zieht (9:15). Das dürfte einigen Leuten hier nicht gefallen.
Aus einer klaren Analyse der Situation kommt er dort zum Ergebnis, dass Russland als Player nicht interessiert an der Zerstörung der Röhre ist. Was Rieck aber übersieht, weil es in seiner Analyse nicht vorkommt, ist die Auswirkungen dieser Handlung auf die Russen selbst. Ein potenzieller Nachfolger von Putin, egal ob durch Revolution oder sonst wie an die Macht gekommen, wird damit das Signal bekommen, dass kein Geld mehr durch Handel erwirtschaftet werden kann. Das gibt er einige Zeit später selbst zu.
Der Kommentar zur Signaltheorie ist logisch, enthält aber einen kleinen Fehler (14:09), nämlich den Gedanken, dass solch ein Signal an die Weltöffentlichkeit adressiert ist. Für die Interessen eines Players wie Russland reicht es völlig aus, wenn die Geheimdienste und Spitzenpolitiker das Signal eindeutig identifizieren könnnen.
Auch schon, wie rational er die Indizien gegen die USA zerpflückt (19:05).
Die Analyse des Nutzens ist dabei sehr aussagekräftig (20:24), meiner Meinung nach. Die USA haben eindeutig ein Motiv, dahinter zu stecken. Das mit der Unterwasserkriegsführung war mir total neu. Hier hätte ich mir mehr Quellen gewünscht.
Russland dagegen (22:13) hat nicht stark von der neue Situation profitiert. Das Argument, wieso die die Sprenung erst stattfand, nachdem die deutschen Speicher gefüllt sind, ist meines Erachtens wirklich sehr gut. Es bleibt nur der Einwand, dass man entweder auf den nächsten Winter spekuliert hat oder man will aus irgendwelchen Gründen Deutschland nicht zerstören, sondern nur an den Rand dieser Zerstörung führen. Auch scheint mir folgende Überlegung korrekt, wer in der Lage ist, Nordstream in die Luft zu jagen, der könnte das mit anderen Röhren ebenfalls. Wäre das nicht mehr im Interesse eines Gasexporteurs? Konkurrenz abschalten?
Das Fazit (24:15) scheint mir nicht offensichtlich falsch zu sein. Dass die Ukraine (24:45) zu den Nutznießern der Aktion gehört, scheint mir auch korrekt. Das beweist keine Täterschaft, ist aber trotzdem sehr mutig anzusprechen.
Alle anderen denkbaren Akteure einfach aus der Analyse auszuschließen (27:30) reduziert meines Erachtens durchaus ihren Wert. Die Anfangs proklamierte Offenheit nach allen Richtungen wird hier zugunsten des "gesunden Menschenverstandes" und seiner Abschätzung fallen gelassen. Wenn wir aber schon die Ökoterroristen in Erwägung ziehen, wieso nicht die Atomlobby? Oder die ölexportierenden Staaten, die die lästige russische Konkurrenz loswerden wollen?
Ich stimme durchaus zu, dass das nicht wahrscheinlich ist, aber es ist nicht undenkbar.
Die Opposition innerhalb von Russland (27:53) halte ich für unwahrscheinlich. Jede potenzielle neue Regierung in Russland wird darauf angewiesen sein, dass Land schnellstmöglich wieder zu stabilisieren. Das kann durchaus durch Gewalt erfolgen, aber man muss auch die finanzielle Situation verbessern. Und zwar kurzfristig. Das geht gegenwärtig nur mit dem Gasexport nach Westeuropa. Zudem zu erwarten ist, dass eine hypothetische Nachfolgeregierung nach Putin sich wieder in das internationale Geschehen einbinden will, was nur geht, wenn man die Ukraine in irgendeiner Form für den Krieg entschädigt. Dazu braucht es ebenfalls Geld.
Egal ob wir an putschende Generäle denken oder an einen zivilen Widerstand, beide Seiten beschädigen sich durch die Aktion in erster Linie selbst. Es sei denn, man unterstellt dieser Gruppe eine radikale Ideologie, der das egal ist. Aber in diesem Fall landen wir bei einer Situation, in der man praktisch alles rechtfertigen kann.
Die Methode (29:51) der Gewichtung der Argumente finde ich sehr interessant.
Rieck hat zwar recht, dass die USA das potenzielle Ansehensverlust ins Kalkül ziehen würden, aber es gibt genug andere Beispiele, in denen die USA genau damit davon kamen. Ich würde da ein Fragezeichen hin machen.
In der Beurteilung der Fähigkeit (33:58) kann ich den Professor leider nicht folgen. Erstens bezweifle ich die Selbstzerstörungsanlagen. Zweitens denke ich, dass es mit Tauchern und/oder Spezialdrohnen sehr wohl machbar wäre. Ich bin zwar kein Experte auf diesen Gebiet, aber nach dem, was ich gelesen habe, wäre es einem Akteur mit staatlichen Budget in der Hinterhand sehr wohl zuzutrauen, so einen Angriff durchzuführen.
Die russische Opposition würde ich aus zwei Gründen ausschließen, erstens weil auch eine Putin-Nachfolgeregierung höchstwahrscheinlich zumindest kurzfristig Gas exportieren wollen wird und zweitens weil ich das Argument mit der Selbstzerstörung nicht kaufe. Selbst wenn es so eine gibt, glaube ich nicht, dass man diese durch Handlanger unklarer Loyalität kontrollieren lassen wird.
Insgesamt ein Beitrag, den ich diesen Forum hier dringend empfehlen würde. Auch wenn es einigen nicht gefällt.