17.01.2024, Nicht alles was klebt ist ein vergleich
| 17.01.2024, 19:30 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 17.01.2024, 20:31 von Skeptiker.)Motto: Sie können es,
einfach
nicht
verstehen
einfach
nicht
verstehen
Erstmal: Willkommen am Mittwochsstammtisch.
Hallo,
weil uns das Thema alle nicht loslässt, bringt ich es noch mal. Es geht um eine einfache Feststellung. Nicht alles, was den Straßenverkehr beeinträchtigt, ist gleich.
Hier mal ein Zitat:
- "Die Proteste der Klimaschützerinnen sind vom Ziel her dringend notwendig, legitim, überfällig, im Interesse der Gesellschaft und zum Schutz künftiger Generationen. [...] Die Proteste der Landwirte dagegen sind zwar in einer Demokratie gleichermaßen legitim, ihre Ziele laufen denen der Gesellschaft und künftiger Generationen jedoch größtenteils zuwider."
- Zeit Online, "Lieber für Klimaschutz protestieren" aus der Kolumne von Marcel Fratzscher (Präsident des DIWs), Link: hier.
- Dort weiterhin:
"Der Schaden für Klima, Umwelt und Biodiversität durch manche landwirtschaftliche Produktion ist enorm. Allen voran belastet die Produktion von Fleisch und anderen tierischen Produkten die Umwelt und das Klima enorm[...]
Fast alle genannten Argumente gegen die Ziele der Bauernproteste sprechen für die Proteste der Klimaschützer. Anders als den Landwirten geht es ihnen nicht nur um ihre eigene Zukunft. Ihre Proteste sind darauf ausgerichtet, vor allem künftige Generationen zu schützen."
Ich möchte hier nicht die konkreten Aussagen aus dieser Kolumne skandalisieren oder mich darüber aufregen.
Es ist mehr Anschauungsmaterial. Es veranschaulicht, dass gewisse [edit: "Sichtweisen] sich anscheinend überhaupt nicht vorstellen können, wieso in den Augen der einfachen Bevölkerung der Protest der Bauern etwas positives ist, während die "Klimakleber" heftig kritisiert werden.
Der Artikel berücksichtigt viele Gesichtspunkte gar nicht.
In diesem Text wird es dankenswerterweise offen angesprochen. Fleischkonsum ist schlecht, wegen des CO2-Ausstoßes, weswegen die Anliegen der Bauern prinzipiell weniger legitim sind als die der "Klimabewegten".
Für die Mehrheit der einfachen Bevölkerung würde es eine erhebliche Einbuße an Lebensqualität bedeuten, wenn sie sich Fleisch nur noch ausnahmsweise leisten könnte.
Man mag dies als legitim oder illegitim ansehen so viel man will, aber das ändert an der Wahrnehmung der Betroffenen zunächst gar nichts. Appelle mit erhobenen moralischen Zeigefinger erwecken eher Trotz als Verständnis.
Im Ergebnis ist es klar, sollten sich die "Klimakleber" oder andere Gleichgesinnte mit ihren Forderungen durchsetzen, dann würde das für die normale Bevölkerung erhebliche Einschränkungen bedeuten. Weniger Mobilität im Inland und extrem teure Reisemöglichkeiten ins Ausland, weniger Konsum von "Kulturgütern" wie Fleisch oder Unterhaltungselektronik, insgesamt auch weniger Wohlstand.
Die Forderungen der Bauern mögen den Menschen außerhalb ihres Berufsstandes nicht zu gute kommen, aber sie schaden ihnen auch nicht unmittlebar.
Schon allein deshalb haben diese viel bessere Chancen auf Solidarität der normalen Bevölkerung als die Klimabewegten.
Nun mag man wir antworten, dass die Lebensqualität zwar sinke, dies aber doch ein verhältnismäßiger Preis für die Zukunft sei.
Abgesehen davon, ob sich angesichts einer alternden, kinderlosen Gesellschaft nicht die Frage stellt, ob hier die subjektive Bewertung der Mehrheitsgesellschaft schon erheblich von diesem "langfristigen Denken" abweicht, ergibt sich folgendes Problem.
Diese Klimaschutzmaßnahen können überhaupt nur funktionieren, wenn die gesamte Menschheit daran mitwirkt.
Schränkt nur Deutschland sich ein und andere Länder "sündigen" weiter gegen das Klima, wird der Klimawandel trotzdem eintreten, was nicht nur das Opfer der deutschen Bevölkerung unnötig machen würde, sondern sie effektiv sogar noch angreifbarer gegenüber den Folgen des Klimawandels macht.
Auch übersieht der Autor, dass es sich bei den "Klimaklebern" um eine vergleichsweise kleine, im Wortsinne "radikale" Minderheit handelt, die dem Rest der Gesellschaft ein völlig neues Gesellschaftskonzept offerieren will. Das ist noch vorsichtigt formuliert.
Die Bauern dagegen kämpfen nur für die Beibehaltung einiger gewohnheitsmäßiger Ermäßigungen.
Was die süffisante Aufzählung an Subventionen und Privilegien der europäischen Landwirtschaft angeht, muss ich sagen, dass diese mich eher amüsiert als überzeugt hat.
Die Gegengründe nur kurz angerissen: Erstens erhalten die europäischen Landwirte einige Privilegien, aber dafür sind sie auch vergleichsweise strengen Regulierungen unterworfen. Ihre Kollegen aus den USA können beispielsweise auch gentechnisch veränderte Lebewesen einsetzen und teilweise unetikettiert in den Handel bringen, viele Schädlingsbekämpfer und andere Mittel einsetzen, die in Europa verboten oder stark reguliert wären.
Diese Wettbewerbsnachteile werden lediglich ausgeglichen.
Zweitens, daran anschließend, habe die europäischen Gesetzgeber Kontrolle über die heimischen Landwirtschaft, jedoch nicht über beispielsweise die in Amerika. Falls also die heimische Landwirtschaft mehr und mehr ins Hintertreffen geraten sollte und durch Importe aus Amerika substituiert würde, wären die landwirtschaftlichen Konsumgüter in Europa dadurch wahrscheinlich klimaschädlicher und mit zweifelhafteren Chemikalen behandelt als sie es mit einer Schutzpolitik wären.
Drittens ist es einfach nicht wünschenswert vom Import von Nahrung abhängig zu werden, um die eigene Bevölkerung zu ernähren. Es müssen nur natürliche oder politische Umstände eintreten, um zu Nahrungsengpässen bis hin zu Hunger zu führen. Man stelle sich nur vor, durch irgendwelche Umstände käme der Schiffsverkehr zwischen Europa und Amerika zum Erliegen, während aber Europa von Lebensmittelimport von dort abhängig wäre. Eine Katastrophe.
Die Tatsache, dass solche Gesichtspunkte gar nicht erwogen werden, scheint mir doch symptomatisch zu sein. Deshalb kann man die einfache Bevölkerung und ihre Haltung zu den Bauernprotesten auch nicht mehr verstehen.
Was denkt ihr darüber?