#3.682
Der Beginn weckt starke Emotionen. Ob das zur Versachlichung einer Debatte über Wahrheit beiträgt?
Man könnte über Orwell noch eine Menge sagen. Was in inspiriert hat und wie das Werk wahrgenommen wird.
Die Beispiele mit den Verschwörungstheorien wurde auch bewusst so gewählt, um zunächst einen Eindruck der Lächerlichkeit beim Zuhörer zu hinterlassen. Dabei wird der Anhänger dieser Theorien als lächerlicher Spinner hingestellt, ohne Bemühung ihn zu verstehen oder die Ursachen aufzudecken, die solche Theorien anscheinend so attraktiv machen, dass sie trotz Lächerlichkeit und seriöser Gegenargumente geglaubt werden.
Dabei werden Verschwörungstheorien, die etwas weniger lächerlich wirken (was nicht bedeutet, dass sie wahr sind!) ausgeklammert. Beispielsweise die Ermordung von JFK.
Im Fall des 09/11 war es meines Erachtens so, dass zunächst ein Chaos an Informationen herrschte und der offizielle Bericht mit Hinweis auf die Schmelztemperatur von Stahl oder Videoaufnahmen, auf denen irgendwas nicht stimmte, in Zweifel gezogen wurde.
Dahinter steckte meines Erachtens das Problem des durchschnittlichen westlichen Menschen, sich in die Motivationslage der Täter überhaupt hineinzudenken. Stattdessen konstruierte man den Plot eines Polit-Thrillers. Denn diese Thriller kannte man seit 30 Jahren aus dem Buchhandel und Kino.
Dass die Regierung oder eine mächtige Gruppe sich verschwört, um die Nation gegen ihre Willen in einen Krieg hineinzuziehen, das erscheint dann glaubwürdiger als religiöser Fundamentalismus. Einfach weil man aus seiner persönlichen Lebenserfahrung niemals so tiefen religiösen Glauben kennt, aber mit dem Thriller vertraut ist.
Der Versuch, die sozialen Medien mit dem Wahrheitsministerium aus Orwells 1984 gleichzusetzen dagegen, fällt doch stark zurück. Der Vergleich hinkt an so vielen Stellen, dass es Zeitverschwendung wäre, es im Detail auszuführen. Nur soviel, in den sozialen Medien verbreiten einzelne Personen ihre Meinung, während das Wahrheitsministerium eine offizielle, hierarchische Institution ist.
Zwei völlig andere Dinge.
"Wahrheit ist heute nur noch eine Meinung und man darf jawohl auch anderer Meinung sein", sagt von Schirach da.
Das ist eine so komplette Falschdarstellung dessen, worum es eigentlich geht, dass man schon von Irreführung sprechen kann.
Wenn ich mir irgendeinen audiovisuellen Bericht über ein Ereignis anschaue oder einen Spielfilm, passiert an meiner Seite grundsätzlich das gleiche. Mein Bildschirm stellt mir irgendwas dar.
Der Kontext entscheidet, ob ich das ganze als eine Fiktion ansehe, die ich irgendwie deuten muss kann, oder als einen sachlichen Bericht, der wahr oder falsch sein kann. Und ob ich das ganze glaube, das hängt von der Glaubwürdigkeit der Quelle ab, denn ich selbst habe zumeist keine Möglichkeit selbst nachzuschauen.
FAZIT:
Man merkt von Schirach hier durchaus an, dass er ein Schriftsteller ist. Das Spiel mit Bildern und Emotionen mag gelungen sein, auch wenn seine Rede zeitweise Erinnerungen an eine nicht ganz so aufregende Predigt wachruft.
Leider blieben aber viel interessante Fragen ungestellt. Zum Beispiel, wieso anscheinend wachsende Kreise auch hier im Westen, also außerhalb der Reichweite der Medienkontrolle der H., bereit sind, deren Propaganda zu glauben.
Ich glaube, dass eine Auseinandersetzung damit uns interessantere Einsichten vermittelt hätte als eine moralische Verurteilung.
Der Beginn weckt starke Emotionen. Ob das zur Versachlichung einer Debatte über Wahrheit beiträgt?
Man könnte über Orwell noch eine Menge sagen. Was in inspiriert hat und wie das Werk wahrgenommen wird.
Die Beispiele mit den Verschwörungstheorien wurde auch bewusst so gewählt, um zunächst einen Eindruck der Lächerlichkeit beim Zuhörer zu hinterlassen. Dabei wird der Anhänger dieser Theorien als lächerlicher Spinner hingestellt, ohne Bemühung ihn zu verstehen oder die Ursachen aufzudecken, die solche Theorien anscheinend so attraktiv machen, dass sie trotz Lächerlichkeit und seriöser Gegenargumente geglaubt werden.
Dabei werden Verschwörungstheorien, die etwas weniger lächerlich wirken (was nicht bedeutet, dass sie wahr sind!) ausgeklammert. Beispielsweise die Ermordung von JFK.
Im Fall des 09/11 war es meines Erachtens so, dass zunächst ein Chaos an Informationen herrschte und der offizielle Bericht mit Hinweis auf die Schmelztemperatur von Stahl oder Videoaufnahmen, auf denen irgendwas nicht stimmte, in Zweifel gezogen wurde.
Dahinter steckte meines Erachtens das Problem des durchschnittlichen westlichen Menschen, sich in die Motivationslage der Täter überhaupt hineinzudenken. Stattdessen konstruierte man den Plot eines Polit-Thrillers. Denn diese Thriller kannte man seit 30 Jahren aus dem Buchhandel und Kino.
Dass die Regierung oder eine mächtige Gruppe sich verschwört, um die Nation gegen ihre Willen in einen Krieg hineinzuziehen, das erscheint dann glaubwürdiger als religiöser Fundamentalismus. Einfach weil man aus seiner persönlichen Lebenserfahrung niemals so tiefen religiösen Glauben kennt, aber mit dem Thriller vertraut ist.
Der Versuch, die sozialen Medien mit dem Wahrheitsministerium aus Orwells 1984 gleichzusetzen dagegen, fällt doch stark zurück. Der Vergleich hinkt an so vielen Stellen, dass es Zeitverschwendung wäre, es im Detail auszuführen. Nur soviel, in den sozialen Medien verbreiten einzelne Personen ihre Meinung, während das Wahrheitsministerium eine offizielle, hierarchische Institution ist.
Zwei völlig andere Dinge.
"Wahrheit ist heute nur noch eine Meinung und man darf jawohl auch anderer Meinung sein", sagt von Schirach da.
Das ist eine so komplette Falschdarstellung dessen, worum es eigentlich geht, dass man schon von Irreführung sprechen kann.
Wenn ich mir irgendeinen audiovisuellen Bericht über ein Ereignis anschaue oder einen Spielfilm, passiert an meiner Seite grundsätzlich das gleiche. Mein Bildschirm stellt mir irgendwas dar.
Der Kontext entscheidet, ob ich das ganze als eine Fiktion ansehe, die ich irgendwie deuten muss kann, oder als einen sachlichen Bericht, der wahr oder falsch sein kann. Und ob ich das ganze glaube, das hängt von der Glaubwürdigkeit der Quelle ab, denn ich selbst habe zumeist keine Möglichkeit selbst nachzuschauen.
FAZIT:
Man merkt von Schirach hier durchaus an, dass er ein Schriftsteller ist. Das Spiel mit Bildern und Emotionen mag gelungen sein, auch wenn seine Rede zeitweise Erinnerungen an eine nicht ganz so aufregende Predigt wachruft.
Leider blieben aber viel interessante Fragen ungestellt. Zum Beispiel, wieso anscheinend wachsende Kreise auch hier im Westen, also außerhalb der Reichweite der Medienkontrolle der H., bereit sind, deren Propaganda zu glauben.
Ich glaube, dass eine Auseinandersetzung damit uns interessantere Einsichten vermittelt hätte als eine moralische Verurteilung.