Ich will nun ausführlicher auf die Argumentation eingehen, dass die Abgeltungsteuer die Verfassungswidrigkeit der Bindingsteuer retten könnte.
Die Bindingsteuer verstösst erstmal grds. gegen das Nettoprinzip, davon gehen wir aus. Verluste sind nur tlw. anrechenbar, durch Verechnungskreis und die 20K-Grenze. Im Rahmen der Abgeltungsteuer beim
Inlands-Broker haben wir sogar überhaupt keinen Verlustabzug. Also ist die Verletzung des Nettoprinzips noch eklatanter, es wird erst mit der Veranlagung teilweise besser.
Durch die Wirkungsweise der Abgeltungsteuer auf Gewinne nebst unterbleibendem Verlustabzug wird, wenn ich als Trader nicht supergut bin, mein Kapital beim Broker dahinschwinden. Einerseits durch die erbarmungslose "Einnahmensteuer" und andererseits durch die Verluste. Aber ich werde durch die Veranlagung nicht noch in Schulden getrieben, meine Steuern habe ich schon gezahlt, bekomme sogar noch durch den Verlustabzug etwas zurück.
Was ist nun das Argument pro Binding? Dass ich immerhin nicht in eine Insolvenz wegen Überschuldung durch Steuerzahlungen laufe. Aber das ist irrelevant bzgl. Art 3 GG. Es bleibt ja trotzdem die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Ob der Trader nun pleite geht oder "nur sein Vermögen" verliert, spielt keine Rolle. Und Art 14 GG (Eigentumsrecht) bleibt auch verletzt. Am Ende hat der Steuerpflichtige sein eingesetztes Vermögen verloren.
Damit wird das BVerfG also nix anfangen können oder wollen und ich vermute, kein FA wird es so versuchen. Es wäre ja nur der Versuch, statt eklatantem Verfassungsbruch auf etwas weniger eklatanten Verfassungsbruch zu plädieren. Nützt ja nix.
Für den Trader beim
Auslandsbroker verhält es sich ähnlich. Er sollte Rückstellungen bilden, um später die Bindingsteuer zahlen zu können. Der Trader, der keine Rückstellungen bildet, könnte tief in der Verschuldung landen. Aber wieder berührt das nicht den Verfassungsbruch. Es heilt den Verfassungsbruch nicht, dass der Trader weiß oder wissen konnte, dass es die Bindingsteuer gibt. Die Bindingstuer bleibt per se verfassungswidrig, selbst wenn alle Trader aufgehört hätten zu handeln oder alle bei 20K-Verlusten aufhören zu traden oder Rückstellungen bilden.
Auch damit wirds also kein FA ernsthaft versuchen. Das ist nur was für die Politik, wo ein Lothar Binding sagt, ihr habts doch gewusst, damit ist alles o.k. Ist nur ein Trick, eine Lüge, ein Ablenkungsmanöver. Vor Gericht kann er damit nix anfangen.
Kommen wir noch zur Möglichkeit, zur
GmbH zu wechseln. Reicht das, um die Bindingsteuer verfassungsgemäß zu machen? Für Art. 3 GG wieder nicht. Der bleibt verletzt, auch wenn ich dem Verfassungsbruch per GmbH aus dem Weg gehen kann. Aber was ist mit Art 12 GG?
Der Gesetzgeber darf keine Rechtsform bevorzugen. Eine GmbH hat zudem diverse Nachteile in Form von Kosten, steuerlicher Belastung und der geringen Auswahl an Brokern, die GmbH’n als Kunden akzeptieren.
Dazu kann man auch den BVerfG-Beschluss vom 08. Dezember 2021 - 2 BvL 1/13 heranziehen. In Tn 68 steht: „Die Vorschriften bewirken eine nicht gerechtfertigte Begünstigung von Gewinneinkünften gegenüber den Überschusseinkünften.“ Etwas ähnliches läge dann hier auch vor.
Es gab 1961 ein Urteil zur Schankerlaubnissteuer (30.10.1961 - 1 BvR 833/59 (BVerfGE 13, 181).
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv013181.html
Die Verfassungsbeschwerde wurde zwar zurückgewiesen, aber das Urteil enthält halt Punkte, woran man ein Berufsverbot messen könnte. Aus Tn 22 können wir entnehmen, dass durchaus auch eine Steuer eine berufsregelnde Tendenz haben kann. Und in Tn 25 steht:
Vielmehr ist eine Rückwirkung auf die freie Berufswahl nur dann rechtlich beachtlich, wenn eine
Steuer ihrer objektiven Gestaltung und Höhe nach es den von ihr betroffenen
Berufsbewerbern in aller Regel wirtschaftlich unmöglich macht, den gewählten Beruf zur Grundlage
ihrer Lebensführung zu machen.
Und genau das haben wir bei Binding. Der macht es tatsächlich wirtschaftlich unmöglich, den Beruf des Termingeschäfts-Traders zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen. Verluste sind unvermeidlich, das gehört zur Geldanlage. Es ist nahezu unmöglich, konstant eine so hohe Gewinnmarge zu erzielen, um die immense Steuerbelastung durch den fehlenden Verlustabzug auszugleichen.
Das Gegenteil ist der Fall. Die Bindingsteuer würde zu noch höheren Risiken verleiten. Da ist es besser, den Beruf aufzugeben.