(29.06.2020, 09:12)cubanpete schrieb: Ich denke die aktuellen Zahlen sagen relativ viel aus: Von den etwas über 6 Millionen beendeten Krankheitsfällen sind 8% verstorben. Aber von den aktuell ungefähr 4.2 Millionen Kranken sind nur 1% in kritischem Zustand. Entweder mutiert das Virus und wird ungefährlicher oder es ist einfach ein Effekt der kleiner werdenden Dunkelziffer. Letzteres würde bedeuten dass es früher 8 mal mehr unerkannte Fälle gab als jetzt, was ja durchaus möglich ist. Ich denke es ist eine Mischung aus beidem.Ich denke, es liegt an der kleineren Dunkelziffer und evtl. auch an unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, in denen das Virus jeweils zirkuliert. Zu Mutationen habe ich unten etwas geschrieben. Zu den Bevölkerungsgruppen: Nach Wiedereröffnung von Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Unis wurde in Israel festgestellt, dass fast die Hälfte der gefundenen Infektionsherde auf diese Einrichtungen zurückzuführen ist. Schüler sind eine Sondergruppe, weil sie offensichtlich selten alleine leben, aber Studenten, treffen in erster Linie Studenten. Von 10 Menschen, die ein Student ansteckt sind vielleicht 8 ebenfalls Studenten. Und so weiter. Das würde bedeuten, dass in den ersten Verbreitungszyklen eines Infektionsherdes an einer Uni, fast nur Menschen infiziert werden, die eine geringere Wahrscheinlichkeit haben, starke Symptome zu entwickeln oder zu sterben. Das ist natürlich vordergründig gut. Allerdings haben die 2 nciht studentischen infizierten Kontaktpersonen vermutlich ganz andere Sozialkontakte und können das Virus dann auch in andere Schichten der Gesellschaft weitertragen.
In den Zeiten, in denen die Massnahmen gelockert werden, würde ich erwarten, dass das Virus sich zuerst in den jüngeren, aktiveren Bevölkerungsschichten verbreitet. Da hier selten Symptome entwickelt werden, kann das durchaus auch mal unter dem Radar bleiben. Auch die Sterblichkeit steigt durch diese Infizierten nicht an. Von diesen Gruppen verteilt sich das Virus dann ab einem gewissen Punkt wieder sehr schnell im Rest der Bevölkerung und den Effekt merkt man dann auch an den Toten. Florida ist ein gutes Beispiel. Die Zahlen zeigen einen wirklich dramatischen Anstieg der Infektionszahlen (vermutlich auch verursacht durch mehr Testung) seit Mitte Juni (Quelle). Da viele der Infizierten jung sind (Altersschnitt der positiv getesteten liegt laut Gov. DeSantis bei 37 (Quelle)), hat das zunächst keine Auswirkungen auf die Anzahl der Toten gezeigt. Letzte Woche könnte man mit etwas gutem Willen aber ein Trend sehen. Nun machen in Florida aber nicht nur die Jungen Urlaub, sondern es ist ein Domizil für viele Rentner. Es ist der Staat mit dem fünfthöchstem Altersschnitt in den USA. Wenn also nur genug der im Schnitt 37 jährigen infizierten Kontakt zu den Älteren hatten, wird sehr bald nicht nur der Altersschnitt der Infizierten ansteigen sondern dann auch wieder die Zahl der Toten. Offizielle Stellen melden dementsprechend inzwischen auch ein deutlich steigende Auslastung der Intensivstationen. Eine ganze Reihe von Häusern ist schon voll belegt.
Der 4. Juli kommt da natürlich zum unpassendsten Zeitpunkt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man den Unabhängigkeitstag "absagt". Auch wenn die übliche Party etwas kleiner ausfällt, dürfte das ein sehr kritischer Moment sein. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Zahlen bis Mitte/Ende Juli dann nochmals ganz deutlich ansteigen.
(29.06.2020, 09:12)cubanpete schrieb: Logischerweise müssten Mutationen die das Virus gefährlicher machen sich schlechter verbreiten und solche die es ungefährliche machen müssten sich besser verbreiten.Mutationen passieren natürlich fortlaufend, aber ich kenne keine Publikation, die eine Selektion von Varianten belegt, die weniger gefährlich für den Menschen sind. Selektion bedeutet letztendlich, dass die Viren, die am besten an die aktuellen Bedingungen angepasst sind (an den Wirtsorganismus, die klimatischen Bedingungen, die Maskenpflicht, die Kontaktfrequenz unter den Wirtsorganismen etc.) einen Vorteil gegenüber den anderen Virusvarianten haben. Ein Virus, der vereinfacht gesprochen, mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Wirt infiziert, oder sich schneller in diesem vervielfältigt, oder besser von diesem Wirt überspringen kann, der wird eine höhere Chance haben, von diesem Wirt an den nächsten weitergegeben zu werden. Und genau das ist ja "Erfolg" für den Virus: Die Vermehrung und Verbreitung.
Die Infektion anderer Menschen kann schon recht bald nach der Infektion erfolgen und ist meines Wissens abhängig von der Viruszahl in den oberen Atemwegen. Ein erfolgreicher Virus erreicht das also ziemlich schnell. Was danach mit dem Wirt passiert ist aus Sicht des Virus zweitrangig, denn das Ziel Vermehrung und Verbreitung ist ja schon erreicht. In Zeiten des schnellen Anstiegs der Anzahl der Infizierten besteht demnach kaum ein Selektionsdruck auf "das Schicksal des Wirts". Ein Virus, das "seinen" Menschen überleben lässt hat keinen erkennbaren Vorteil gegenüber dem, der den Exitus verursacht. Daher würde es mich wirklich wundern, wenn die Mortalitätsrate aufgrund von Virusmutationen in dieser Phase exponentiellen Wachstums sinken würde.