(29.04.2021, 22:30)Vahana schrieb: Aber auch hier wieder der Hinweis, dass ab einem Alter von 55 Jahren das Geld von Aktien in "sichere Wertpapiere" umgeschichtet wird.
Sobald der Staat seine Finger im Spiel hat wird immer negativ optimiert. Aber die ARD berichtet positiv darüber, als ob nur ein staatlicher Eingriff uns alle retten könnte.
in der Tat, sehe ich genauso.
immer wieder bin ich erstaunt darüber, wie Laienhaft die Diskussion über eine optimale Vermögensaufteilung geführt wird.
So ist die Ansicht, dass der Aktienanteil am Finanzvermögen konservativer Anleger höchstens 20 oder 25% betragen soll, fast gottgegeben
Anleger mit ausgewogenem Risiko sollten demnach einen Aktienanteil von 25-50% haben, während risikofreudige Investoren bis 100%
Viele "Experten" predigen die sogenannte "100 minus Alter"-Regel;
also ein 20-jähriger Student soll 80% seines Vermögens in Aktien stecken, aber eine 94-jährige Witwe gerade noch 6%.
Der gute Prof. Thorsten Hens von der Uni Zürich empfiehlt gar noch eine restriktivere Variante: "Aktienquote = Pensionsalter minus aktuelles Alter".
Nach diesem Ansatz würde ein noch jung gebliebener Rentner im Alter von 65 Jahren überhaupt keine Aktien mehr halten
Intuitiv mögen solche Daumenregeln vielleicht plausibel klingen.
Die erwartete Restlebensdauer und damit der rechnerische Anlagehorizont der Witwe in meinem Beispiel sind naturgemäss deutlich kürzer als beim Studenten.
Aber:
nimmt mit zunehmendem Alter auch automatisch die Risikofähigkeit ab ?
Nein, natürlich nicht !
Viel wichtiger als die verbleibende Lebensdauer ist nach meiner Überzeugung, die individuelle finanzielle und familiäre Situation der z.B. betagten 94-j. Witwe.
Also:
lebt sie aus ihrem Vermögen oder aus anderen Einkünften ? wieviel plant die Witwe, aus ihrem Vermögen zu entnehmen ?, wer sind die Erben? was gedenken die potenziellen Erben mit ihrem Erbe einst zu machen? werden sie das Geld für Immo-Kauf oder den Konsum brauchen oder bleibt es weiterhin langfristig auf einem Wertpapierportfolio investiert ? Geht ein Teil des potenziellen Erbes der Witwe direkt an die Enkelkinder ?
Diese und weitere Fragen, aber auch das subjektive Risikoempfinden der Witwe und er potenziellen Erben entscheiden darüber, wie lange der faktische Anlagehorizont der 94-jährigen Dame ist.
Um es auf den Punkt zu bringen:
wenn das Vermögen einer Person mit noch "kurzer Restlaufzeit" mit dem Ziel an die kommenden Generationen weiterzugeben werden soll, diese weiterhin langfristig zu investieren und zu vermehren, dann ist durchaus denkbar, dass ihr Aktienanteil, abgesehen von der erforderlichen Liquidität, 100% beträgt.
Die 94-jährige Witwe verfügt dann nämlich implizit und faktisch über einen sehr langen Anlagehorizont.
Natürlich ist auch denkbar, dass ihre Aktienquote bei null liegen kann, weil sie ist krank, braucht Geld für Pflege; oder wenn ihre Nachkommen planen, potenzielles Erbe dereinst für Lebensunterhalt, für geplante Anschaffungen oder Abzahlung von Bankkrediten undundund zu verwenden.
Kurzum:
aus meiner Sicht ist es ein Humbug, Anleger stereotyp in Risikoklassen einzuteilen, und ich halte Faustregeln für die Bestimmung des Aktienanteils für völlig unzweckmässig.
"Geld ist nicht alles, aber es stellt sicher, dass der Kontakt mit Ihren Kindern nicht abbricht"
Jean Paul Getty, US Öl-Tycoon