(19.01.2025, 09:29)Ste Fan schrieb: Jein,
Du hast vollkommen recht wenn du dich auf eine notwendige Lern/-Ausbildungszeit am Anfang der "Karriere" beziehst. Ohne die wird keiner irgendwo erfolgreich - weder im Gewerbe oder Hochschule kriegst du die ersten Jahre was gerissen.
Generell duerften mind. 3 Jahre Ausbildung (Lehre oder Bachelor) die Norm sein. Bis dann die Erfahrung da ist, oder der Master mit ein bisschen Erfahrung braucht es dann halt noch ein paar Jahre mehr. Damit deckst du an wahrscheinlich alles ab ausser Spezialisten wie den Gehirnchirurg.
Allerdings >15 Jahre um aus dem Juniorstatus rauszukommen duerfte nur fuer die Schlusslichter gelten.
Das hiesse ja dass den Anforderungen nach der Trader sogar ueber dem 2.ten Staatsexamen oder dem Gehirnchirug liegt - das wiederum ist doch irgendwie laecherlich. Wir sind zwar alle irgendwie an der Boerse, aber willst dich mit denen vergleichen? Ich mich nicht
Mit solchen Staements entmutigst du ja alle die hier eventuell neu mitlesen
Ich weiß wie sich das anhört und verstehe was Du meinst - aber das ist ja auch
nur meine subjektive Rechnung....
Kommt drauf an an welchem Punkt jemand zufrieden ist oder meinst das er "fertig" ist.
Du kannst eine Lehre machen und danach arbeiten - als Angestellter, Arbeiter, Geselle,....
Du kannst weitermachen - Meister, Technker, Fachwirt,...
Du kannst Karriere machen - Teamleiter, Abteilungsleiter, Betriebsleiter,...
Du kannst weiter studieren - weiter akadameische Grade, Doktortitel, Professuren,...
Manches schafft man über die Zeit - ein Angstellter der gute Arbeit leistet,
entsprchende Skills mitbringt oder durch die Tätigkeit entwickelt, im für ihn richtigen
Unternehmen arbeitet - kann über die Jahre in der Hierarchie aufsteigen - genauso
wie vom Einkommen her....
Kann ein Traumberuf sein.
Andere Traumberufe sind nur mit entsprechendem Aufwand erreichbar -z.B. Studium,
Meister, Techniker, Fach- oder Betriebswirt, Weiterbildungen, Qualifikationen,....
Wann ist Daytrader ein Traumberuf? Wenn man davon leben kann?
Bei mir.....
Anfang 2000 Job gekündigt - falscher Mann am falschen Ort
Nächster Job? Welcher? War etwas orientierungslos - aber hatte die letzten Jahre
sehr gut verdient (Vertrieb), abbezahltes Haus, im Laufe der letzten 3 Jahre einen
sechsstelligen Betrag in Fonds und Aktien investiert "der Euro kommt" - und war
dann mittendrin in der Internetblase - im März/April dann alles glattgestelllt - obwohl
ich anfangs an Vermögensaufbau für Rente also langfristig orientiert war - aber einfach
weil es so viel war und ich kein gutes Gefühl hatte - alles verkauft - da war kein Wissen,
Erfahrung oder sonstwas dabei - Glück, Zufall....
Also da war ich nun - mit dickem Konto und ohne Job - irgendwo immer noch mit
dem "Traum" studieren zu gehen - aber Börse war einfach zu interessant und hat
sich nach 3 Jahren ja sogar noch mehr gelohnt wie mein gut bezahlter Job....
OK - ich versuchs - ein paar Monate - kann ja kein Hexenwerk sein das auch im
kurzfrstigeren Bereich auf Sicht von Wochen, Monaten umzusetzen - mit meinem
alten Depot hatte ich immer wieder Tagesgewinne im 5stelligen Bereich....
Und los gehts....
1-5 Jahre - Anfänger (Grundschule)
Weiter wie bisher - Finanzzeitschriften, Börsenbriefe, Geheimtipps von Kollegen
-
damals zur Zeit der Internetblase waren viele "Börsenexperten" - wie ich auch
aus heutiger Sicht war ich einfach nur naiv....
Also - mal lief es gut, mal lief es schlecht - habe das aber "locker" gesehen - das meiste
Geld lag auf Tagesgeldkonten...
War trotzdem ein mittlerer 5stelliger Betrag auf dem Konto - Phasen in denen es richtig
gut lief - Phasen in denen es richtig schlecht lief..... zu oft zu schlecht - weil ich nur long
unterwegs war - wir aber immer noch mittendrin in der Abwärtsphase nach platzen der
Internetblase drin waren - Tage/Wochen in denen es mal rauf lief und dann wieder stärker
runter - Tief war 2 Jahre voraus..... dementsprechend sind die Gewinne wieder zusammen-
geschrumpft und sogar in den Verlust gelaufen.... 30k Verlust in 6 Wochen - das tut weh....
also kompletter Reset - so gehts nicht weiter - blindes herumzocken.....
hab dann erst angefangen mich mehr mit Chartanalyse zu beschäftigen - was ich vorher
eher für Kaffeesatzleserei gehalten habe....
Bücher gekauft, Strategien getestet, analysiert - mal Paper, mal real - Ergebnisse schon
besser aber immer noch eher durchwachsen - an diesen Punkte hätte ich noch nicht
davon leben können - kaum Fixkosten, abbezahltes Haus, Kapital vorhanden von dem
gelebt werden kann....
Traden war anstrengend - vor allem auch wegen Hardware, Software, Stabilität und Leisung
des Internets....
Habe dann erstmal investiert Rechner, Monitore, Software, Daten....
Damit ging es deutlich besser - ist heute kein Thema mehr - da bekommt man schon für
kleines Geld was womit man anfangen und arbeiten kann.... Hardware, Software, Daten,....
Habe relativ schnell damit angefangen mit mehreren Timeframes zu arbeiten....
Aber alles sehr anstrengend, Phasen in denen es ohne richtiges RM/MM wohl sehr übel
ausgesehen hätte.
War einfach immer noch viel zu blind unterwegs. Habe nur das umgesetzt was ich aus
den Büchern gelernt habe - aber das war einfach nicht gut genug. Das muss besser
gehen - damit das Traden nicht nur profitabel sondern auch leichter wird - an skalieren
dachte ich damals noch nicht...
Also im 5. Jahr angefangen eigene Ideen und ein "Gerüst" zu entwickeln....
6-10 Jahre - fortgeschrittener Anfänger (mittlere Reife)
Hatte wegen Hardware, Software immer wieder Phasen des Stillstands - musste erst
auf bessere Hardware, Software warten....
Aber im nachhinein waren das immer wieder einige Monate in denen ich auf diesem Stand
sehr gut traden konnte. Durch sehr viel Screentime Erfahrung gesammelt.
Aber immer wieder auch auf dem falschen Fuss erwischt - durch RM/MM kein Problem -
trotzdem unbefriedigend - warum passiert das?
Ideen, Strategien, Setups haben sich immer weiterentwickelt - mittlerweile nur noch
US-Futures-Trading....
10-15 Jahre - fortgeschrittener Trader (Junior-Trader)
traden, analysieren, weiterentwickeln.... zwischendurch immer wieder auch mal holprig -
was aber auch immer wieder Schwächen, blinde Flecken sichtbar gemacht hat.
Ansatzpunkte für weiteren Fortschritt.... immer wieder Phasen in denen ich keine
Ansätze für Verbesserungen hatte - einfach nur traden, konditionieren, trainieren,...
Wochen, Monate,....
Dann auch immer wieder Phasen in denen Lust da war neues zu testen - oder mit den
vergangenen Erfahrungen einfach an den Setups herumgeschraubt, angepasst, gefeilt,
poliert, überarbeitet.....
15-20 Jahre - routinierter fortgeschrittener Trader (Senior-Trader)
Die Setups entwickeln sich über die Zeit phasenweise nur minimal bis gar nicht weiter.
Aber es läuft gut....
Dann Trump... Zollstreit.... Twitter-Trump in Action... hat mich auch mal auf dem falschen
Fuss erwischt....
Aber vor allem hat dieses von ihm verursachte Chaos meine Charts in dem Bereich in dem
ich hauptsachlich gearbeitet habe komplett extrem verzerrt - da war über Stunden für mich
nichts mehr herauszulesen.
Orientierungspunkte haben gefehlt - da ist mir bewusst geworden das ich den eher langfristigen
Bereich eher rudimentär aufgebaut habe - "läuft ja nur nebenher - muss nicht so scharf eingestellt
sein..." - aber in diesen Situationen hätte es geholfen....
Also diesen ganzen langfristigen Bereich überarbeitet - und das was ich im kurzfristigen Bereich
einsetze auf den langfristigen Bereich übertragen. Viele Anpassungen nötig - aber auch neue
Erkenntnisse die dann wieder zu Anpassungen im kurzfristigen Bereich geführt haben....
Dann Verlustverrechnungsbeschränkung.....
Verlusttrades müssen weniger werden - viel weniger - 300k Gewinn und 200k Verlust im Jahr
als einfaches Beispiel funktioniert nicht mehr....
Extrem an den Entry- und Exit-Strategien gearbeitet - Setups noch schärfer weiterentwickelt
und eingestellt.
Alles extrem umfangreich - kleinste Änderung - Dominoeffekt - alles muss angepasst werden -
kleinste Änderungen brauchen Stunden, grössere Änderungen auch mal Tage oder Wochen
die ich parallel in separaten Fenstern durcharbeite....
20 Jahre plus - professioneller Trader der sein Ding einfach nur noch durchzieht und
kaum noch aus der Ruhe zu bringen ist....
Manchmal denke ich, heute würde ich das schneller schaffen - Hardware, Software, Daten,
Infos.... Aber dann denke ich eher das diese Phasen des Stillstands notwendig waren um
das erreichte Level zu zementieren und zu befestigen - damit es dann mit mehr Erfahrung
weiter zum nächsten Level geht.... arbeiten an den Schwachstellen, blinden Flecken, die
sich zwischendurch immer wieder herauskristallisiert haben... usw. usf.
In der ersten Phase habe ich mir sehr viel Zeit gelassen - bzw. wurde ich auch extrem
ausgebremst (Hardware, Software,....). Habe mich kreuz und quer mit allem beschäftigt.
Ausserhalb der Börse gab es auch anderes was viel Zeit in Anspruch genommen hat.
So richtig zum Daytrading bin ich eigentlich erst im 5. Jahr gewechselt - also das ich
gesagt habe - jetzt nur noch Daytrading - vorher überwiegend Swingtrading und nur
sporadisch Daytrading. Aber die Swings haben immer wieder Gewinne abgegeben.
Manche eben auch im Verlust - war mir zu stressig. Wollte abends die Kiste ausmachen
und WIRKLICH Feierabend und den Kopf frei haben. Konnte ich nicht wenn ich im Markt war....
Dann ab diesem Zeitpunkt sind die Ergebnisse dann auch stabiler geworden - aber am
Anfang waren das schon sehr kurzfristige Trades und sehr viele.
Manche Tage dachte ich das da jetzt richtig was reingekommen ist - und war dann
überrascht wie viel die vielen kleinen Verluste und die Ordergebühren davon aufgefressen
haben.
Ab dem 6. Jahr habe ich die Gewinne auch regelmässig abgeräumt damit das Konto
nicht zu dick und ich leichtsinnig werde....
Ich denke das diejenigen die es bis dahin geschafft haben - aus dem riesigen Haufen an
Strategien und Vorgehensweisen die für sich richtigen rausgesucht, gelernt, angeeignet,
trainiert, konditioniert, umgesetzt,..... haben und damit zufrieden sind - und das Dank
gutem RM/MM auch funktioniert wenn es mal nicht so gut läuft - davon leben können....
Ich habe mir Zeit gelassen, vieles angeschaut, analyisert, getestet was nie wieder eine
Bedeutung in meinem Trading hatte - am Anfang wollte ich ja auch nur "Börsianer"
werden - einer der mit Börsenhandel sein Einkommen erwirtschaftet - Daytrading war
am Anfang gar keine Option - alleine schon wegen den viel zu instabilen Internetverbindungen,
Abbrüchen, Lagging,....
Heute - wenn einer sagt er will daytraden dann kann er sich heute sehr viel schneller
auf "Betriebsbereitschaft" bringen - Hardware, Software, Internet, Daten - kein Problem.
Youtube und zahllose Internetseiten bieten alle Informationen die man früher nur in
mehrerern teuren Börsen- oder Finanzbüchern gefunden hat.
Von daher - das kann man wahrscheinlich auch schon in 2-3 Jahren schaffen - also
ähnlich einer Berufsausbildung.... aber wer lässt sich heute so viel Zeit?
Viele hören entsprechend diesem Artikel schon innerhalb von 10 Tagen auf...
Aber sagen wir jemand schafft es in 2-3 Jahren "anzukommen"
Mit den Jahren kommt Erfahrung und Routine dazu. Und das ist das Ende der Fahnenstange?
Dachte ich auch. Immer wieder. Besser gehts nicht. OK - es geht schon besser - alleine durch
Zeit und damit einhergehender Erfahrung werden die Ergebnisse besser.
Aber hat mich nicht befriedigt - am Anfang klar - weil es eher durchwachsen gelaufen ist.
Es wurde besser - aber es gab in der ganzen Zeit immer wieder anstrengende Phasen,
Situationen die einfach zu stressig waren. Zu viele blinde Flecken.
Da wo andere nach - im übertragenen Sinn - ihrer 3jährige Lehre stehen geblieben sind und
nur noch Routine und Erfahrung gewonnen haben, habe ich im übetragenen Sinn noch ein
Studium absolviert - eigene Wege, Ideen, Werkzeuge, Setups,....
Gehirnchirurg? Ist eine ganz andere Richtung....
Seit kurzem ging mir der Gedanke durch den Kopf das ich fast mehr Konstrukteur als Trader bin.
Würde mich aber auch nicht mit einem Bauingenieur gleichstellen.
Kann weder ein Hirn operieren noch ein Haus bauen - aber Chartsetups konstruieren
die mir eine schärfere Sichtweise mit den entsprechenden Ergebnissen ermöglichen.
Das hat Zeit gebraucht - aber das hat es mit der Zeit auch zum Traumjob oder -beruf
gemacht. Wäre es wahrscheinlich eher nicht wenn ich irgendwo aufgehört hätte weiter
zu gehen und nur noch Routine und Erfahrung dazugekommen wären.
Ich hatte durch ein gutes Einkommen und die Internetblase vorher aber auch andere
Rahmenbedingungen als die Mehrheit. Ohne dieses Kapital hätte ich diesen Weg wohl
eher nicht gemacht.
Entmutigen? Ist doch die Realität. Es ist schwer. Schwerer als die meisten am Anfang
glauben. Es ist anspruchsvoll - am Anfang auch für die Psyche. Die meisten machen
es nicht lange. Andere geben es irgendwann nach ein paar Jahren entgültig auf nachdem
sie neben dem normalen Beruf und Familie mehr verzockt als gewonnen haben -
und machen dann nur noch mit der langfristigen Schiene weiter - vollkommen OK.
Denke nur wenige kann man wirklich als Daytrader bezeichnen - da läuft das eher
nebenher während die sich mehr mit langfristigen Strategien, Portfoliomanagement
beschäftigen und dort ihr Geld einsetzen.
Daytrading ist was anderes. Und bis es ein Traumjob ist - ich würde es erst seit ein
paar Jahren wirklich als Traumjob bezeichnen - vorher war ich (nur) zufrieden -
was ich vermutlich auch in einem normalen Job gewesen wäre....