Gaspreisbremse
Prasserei wird belohnt, Sparen bestraft. Und das mit dem Geld der Steuerzahler
Von Heike Jahberg
Die Villa bleibt warm
Michael Vassiliadis ist ehrlich: Die geplanten Entlastungen für Gasverbraucher seien ein wenig „Gießkanne“, räumt der Co-Vorsitzende der Gaspreiskommission selbst ein. Aber für detailliertere Ansätze sei keine Zeit gewesen. „Uns war die Geschwindigkeit wichtiger“, gibt der Chef der IG Bergbau offen zu.
Das ist verständlich. Der Winter steht bevor, viele Menschen haben bereits im September angesichts der am Monatsende ungewöhnlich kühlen Herbsttemperaturen die Heizung aufgedreht.
Mit schlechtem Gewissen, denn Gas ist teuer, und die Angst, die Rechnungen nicht zahlen zu können, groß.
In der Wirtschaft herrscht zudem Panik, dass die knappe und teure Energie zu massenhaften
Pleiten, Produktionsstilllegungen und Kündigungen führt. Keine leichte Aufgabe also für die Expertenkommission.
Doch Geschwindigkeit, das lernt man schon in der Schule, geht vor Genauigkeit –
und im Fall der hohen Heizkosten leider auch vor Gerechtigkeit. Im Dezember, so
schlägt die Kommission vor, sollen alle Gas und Fernwärmekunden quasi auf Staatskosten
heizen – egal, ob sie eine Villa mit Pool bewohnen oder eine Ein-Zimmer-Wohnung.
Das ist ungerecht. Und es bestraft zudem alle, die Energie sparen. Sie bekommen weniger Hilfe vom Staat als der verschwenderische Nachbar. Prasserei wird belohnt – mit Steuerzahlergeld.
Das kann doch nicht wahr sein!
Und was ist mit all denen, die nicht mit Gas oder Fernwärme heizen? Heizöl kostet heute mehr als doppelt so viel wie vor einem Jahr. Doch diese Betroffenen bleiben nach jetzigem Stand
auf ihren Kosten sitzen. Genauso wie die Wärmepumpen-Heizer oder die Pelletverbrenner. Soll der Ölheizer mit schmalem Budget und alter, schlecht isolierter Immobilie tatsächlich am Ende
den Villenhaushalt finanzieren, der das Glück hat, Gas als Wärmequelle zu nutzen?
Die Politik ist gut beraten, die Vorschläge der Kommission nicht eins zu eins zu übernehmen. Die Abschlagszahlung im Dezember sollte auf einen bestimmten Verbrauch gedeckelt werden,
die Gaspreisbremse ab Frühling sollten nur Haushalte bekommen, die auf das Geld wirklich angewiesen sind. Gießkannenpolitik ist einfach und geht schnell. Aber gerecht und gut ist
sie nicht.
Der Tagesspiegel Seite 6, DIENSTAG, 11. OKTOBER 2022
TAZ auf der Titelseite ähnlich
https://taz.de/Vorschlaege-der-Gaspreisk.../!5883771/
heute ist Weltmädchentag und meine Gedanken gelten vor allem den mutigen Mädchen im Iran, die der Führung den Mittelfinger zeigen